Antrag 02 / Absicherung der Beschäftigten im Sozialbereich und Garantie guter öffentlicher Sozialleistungen

Antrag 2 der AUGE/UG - Alternative und Grüne GewerkschafterInnen/Unabhängige GewerkschafterInnen
zur 141. Vollversammlung der AK-Wien am 12. November 2004

Antrag angenommen

FSG, BM, BDFA, GLB: Ja

FA: Nein

ÖAAB, FA, GA: für Zuweisung


Die Arbeiterkammer Wien unterstützt den Forderungskatalog der in der Plattform „Soziales in Wien“ zusammengeschlossenen Betriebsratskörperschaften und Belegschaften aus dem Wiener Sozial-, Gesundheits- und Pflegebereich.

Die Arbeiterkammer Wien  fordert die Verantwortungsträger in Stadtregierung, Gemeinderat und im Fonds Soziales Wien (FSW) auf, Schritte zur Umsetzung des Forderungskatalogs zu setzen.

Der Forderungskatalog im Wortlaut:
„Die Ausgliederung großer Teile der öffentlichen Sozialverwaltung in den Bereichen Altenpflege, Wohnungslosenhilfe und anderen in den Fonds Soziales Wien (FSW) bedeutet einen Meilenstein im Umbau des Wiener Sozialsystems, dem wir kritisch gegenüber stehen, da vergleichbare ‚Reformen’ bisher immer zu Nachteilen für die Beschäftigten und LeistungsbezieherInnen geführt haben. Rund 15.000 betroffene KollegInnen, 60.000 LeistungsbezieherInnen und 700 Millionen Euro machen die Dimension deutlich. In Anbetracht dieser Gefahr haben sich die betroffenen Gewerkschaften (GPA, GdG, HTV, HGPD), Betriebsratskörperschaften und Belegschaften in der Plattform „Soziales in Wien“ zusammengeschlossen. In dieser wurde ein Forderungskatalog ausgearbeitet, welcher sich an die politischen Parteien, die verantwortlichen StadtpolitikerInnen und die Geschäftsführung des FSW richtet.

Über diese Forderungen muss es in nächster Zeit zu Verhandlungen mit Ergebnissen kommen, um die Arbeitsbedingungen  der betroffenen Belegschaften und die Betreuung der LeistungsbezieherInnnen in ausreichender Qualität sicherzustellen: Selbstverständlich müssen auch nach ihrer Umsetzung noch weitere Aspekte durchgesetzt werden, um ein qualitativ hochwertiges Sozialsystem sicherzustellen.

1. Für viele Beschäftigte im Sozialbereich gibt es derzeit entweder sehr schlechte oder keine gesicherten Regelungen bezüglich ihrer Löhne und Gehälter. Manchmal gibt es gar keine Gehaltsschemata und die Gehälter hängen vom persönlichen ‚Verhandlungsgeschick’ ab, in anderen Betrieben wiederum sind die Gehälter unter jeder Kritik. Kaum jemand würde in der Privatwirtschaft für ein solches Gehalt arbeiten. Gleichzeitig trat mit 1. Juli 2004 erstmals ein Kollektivvertrag für den Gesundheits- und Sozialbereich in Kraft. Jene Unternehmen, die sich diesem Kollektivvertrag angeschlossen haben, wissen aber bis heute nicht, wie sie dessen Umsetzung finanzieren sollen. Betreffend der Entgeltbedingungen für ArbeitnehmerInnen, die bei privaten AnbieterInnen sozialer Leistungen beschäftigt sind, ist es aus gewerkschaftspolitischer Sicht unumgänglich, diese AnbieterInnen in den Förderrichtlinien zur Einhaltung bestimmter arbeitsrechtlicher Mindeststandards zu verpflichten.
Wir fordern daher als eine Bedingung für die Vergabe öffentlicher Gelder an die Unternehmen im Sozial- und Gesundheitsbereich die Einhaltung arbeitsrechtlicher Mindeststandards, insbesondere die Verankerung der Bestimmungen des BAGS-KV als Mindestentgeltabsicherung und unverzichtbares Kriterium in den Förderverträgen. Private AnbieterInnen müssen verpflichtet werden, die bei ihnen beschäftigten ArbeitnehmerInnen zumindest entsprechend den Bestimmungen dieses KV zu entlohnen. Die Beibehaltung und Absicherung bestehender besserer innerbetrieblicher Regelungen muss ebenfalls gewährleistet sein. In der Praxis erfordert das die Finanzierung innerbetrieblicher Gehaltsvereinbarungen bzw. der Gehaltsregelungen des Kollektivvertrages durch den Fonds Soziales Wien, welcher in Zukunft die öffentlichen Gelder in diesem Bereich vergeben wird!

2. Wie in der Privatwirtschaft, so ist auch im Sozial- und Gesundheitsbereich die mittel- und langfristige Planung der Schlüssel zum Erfolg bzw. die Voraussetzung für die Erbringung hochwertiger Leistungen für die LeistungsbezieherInnen. Die Voraussetzung für eine solche Planung ist die langfristig gesicherte Finanzierung von Sozialeinrichtungen, welche heute in der Regel nur für ein Jahr finanziert werden und somit nicht einmal wissen, ob es sie im nächsten Jahr noch geben wird. Keine guten Voraussetzungen für gute Sozialleistungen also.

Wir fordern daher die längerfristige rechstkonforme Absicherung der Infrastruktur für die gemeinnützigen Unternehmen im Sozialbereich, unabhängig von der Leistungsausschreibung. Darunter sind insbesondere Mittel zur Planung und Finanzierung des Sach- und Personalaufwandes (arbeitsrechtliche Ansprüche, Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen usw.) zu verstehen.

3. Durch die Ausgliederung von mehreren hundert Beschäftigten aus dem Magistrat in einen privatrechtlichen Betrieb ist langfristig eine deutliche Verschlechterung der Arbeitsbedingungen zu befürchten, wie sie in vielen anderen Ländern auch stattgefunden hat. Geringere Löhne, flexiblere und schlechtere Arbeitszeiten usw., so wie sie jetzt schon die Privatangestellten in diesem Fonds Soziales Wien betreffen, weisen auf die Gefahr einer kontinuierlichen Verschlechterungen von Arbeitsbedingungen hin.

Wir fordern daher: Keine Verschlechterungen der Arbeitsbedingungen für Gemeindebedienstete in privaten Unternehmen sowie eine Gleichstellung der Privatangestellten mit diesen arbeitsrechtlichen Regelungen durch Implementierung von Betriebsvereinbarung für die privat angestellten MitarbeiterInnen des FSW in Anlehnung an die Vertragsbedienstetenordnung der Stadt Wien, wobei diese keinesfalls unterschritten werden darf!

4. Die Qualität der Sozial- und Gesundheitsleistungen in Wien ist leider nicht immer so, wie das zu wünschen wäre, was nicht zuletzt der sog. Pflegeskandal in Lainz im letzten Jahr einmal mehr bewiesen hat.

Wir fordern daher: Die Festlegung bzw. Weiterentwicklung von verbindlichen Qualitätsstandards muss in einem zu gründenden Fachbeirat erfolgen, in dem die Betroffenen (ArbeitnehmerInnen, KlientInnen, Angehörige usw.) vertreten sind. Diesem Fachbeirat ist u.a. auch die Überprüfung der Konzepte und Leistungsbeschreibungen zu übertragen. Der Fachbeirat und seine Kompetenzen sind in den Statuten des FSW zu verankern.

Im Zusammenhang mit der Umsetzung dieser Forderung müssen sowohl

a) die Zusammensetzung des Fachbeirates geklärt, wobei ein Entsendungsrecht der zuständigen freiwilligen Interessensvertretungen vorzusehen ist, als auch
b) noch folgende inhaltliche Kriterien einer Konkretisierung zugeführt werden:
- Konzeptqualität: beinhaltet Statuten, Satzungen, Leitbild, Leistungskataloge
- Strukturqualität: betrifft die MitarbeiterInnen-Ebene (Art der Qualifikation, MitarbeiterInnenschlüssel, räumliche und finanzielle Rahmenbedingungen ...)
- Prozessqualität: betrifft Leistungen und Zufriedenheit/Bedürfnisse der LeistungsnutzerInnen (die tägliche Umsetzung von Konzept und Struktur, Umsetzung von Leitbild und Leistungskatalogen, Alltagspraxis)
- Ergebnisqualität (Evaluierung der Zufriedenheit der NutzerInnen)

Der Fachbeirat ist berechtigt, die Einhaltung der erarbeiteten und laufend weiterzuentwickelnden, für die AnbieterInnen verpflichtenden Qualitätskriterien zu kontrollieren und die Anerkennung der Förderwürdigkeit gegebenenfalls zu bestätigen bzw. zu widerrufen.
Im Zusammenhang mit der Qualitätssicherung muss auf zwei weitere wesentliche Kriterien hingewiesen werden. Sowohl die Ausbildung der MitarbeiterInnen als auch das Ausmaß ihrer Stundenverpflichtung stehen im Zusammenhang mit der Sicherstellung einer effizienten, kontinuierlichen Betreuung. Daher kann im Zusammenhang mit der Thematik der Qualitätssicherung neben der Installierung eines Fachbeirates auch auf die Verankerung von verbindlichen Anforderungen an die AnbieterInnen hinsichtlich der o.a. Kriterien Ausbildung bzw. Arbeitszeit nicht verzichtet werden.

5. Im Gegensatz zu den üblichen Regelungen in der Privatwirtschaft haben die Beschäftigten im Sozialbereich, insbesondere auch im Fonds Soziales Wien, keine Möglichkeiten zur Mitbestimmung im Betrieb, was aber die grundlegenden demokratischen Spielregeln unserer Gesellschaft erfordern.

Wir fordern daher analog den gesetzlichen Regelungen in der Privatwirtschaft (vgl. Regelungen Aufsichtsrat nach dem Aktiengesetz) eine Mitsprache- und Mitbestimmungsrecht der BelegschaftsvertreterInnen (Betriebsrat) im Ausmaß von einem Drittel der Mitglieder in allen zentralen Organen des Fonds Soziales Wien wie z.B. dem Kuratorium.