Antrag 8 / Keine Karottenspiele mit unserer Gesundheit!

zur 150. Vollversammlung der AK-Wien am 1. April 2009

Antrag zugewiesen (Ausschuss f. Sozialversicherung und Gesundheitspolitik)

BDFA, GLB: JA

ÖAAB: NEIN

FSG, FA, GA, BM: für Zuweisung

Antragsbearbeitung

 

Die Vollversammlung der AK-Wien fordert
- die vollständige Abdeckung der Schulden der Gebietskrankenkassen bis Ende 2011;
- die Finanzierung von krankenversicherungsfremden Leistungen aus Mitteln des Bundesbudgets;
- die Schaffung eines einheitlichen Versicherungssystems mit einheitlichen Beitragssätzen und einheitlichen Leistungen für alle;
- die Schaffung eines bundesweiten Finanzausgleichs aller Krankenversicherungsträger;
- keine neuen Selbstbehalte für die Versicherten;
- Ausbau der Prävention zur Verbesserung der Lebenssituation der Betroffenen und Verringerung zukünftig zu erwartender Gesundheitskosten;
- zusätzliche Investitionen in Felder mit Unterversorgung (Ausbaus der Versorgung für Kinder und ältere Menschen, in den Bereichen Palliativmedizin, Prävention und Rehabilitation, Psychotherapie, Schließung lokaler und regionaler Versorgungslücken);
- Beibehaltung der Pflichtversicherung;
- Beibehaltung der solidarischen Finanzierung der Krankenversicherung;
- Besetzung der Funktionen in der Sozialversicherung nach gemeinsam mit Landtagswahlen abzuhaltenden Versichertenwahlen.
- Schaffung einer Gesundheitsfinanzierung aus einer Hand durch den Hauptverband der Versicherungsträger unter Einschluss der Krankenanstaltenfinanzierung

 


Begründung:

Die im Zuge der Budgetverhandlungen 2009 und 2010 vom Finanzminister in den Raum gestellte Karotte für die Krankenversicherungsträger wird zu Recht als solche bezeichnet: Sie verweist die Krankenversicherung auf Ziele, die sie nie erreichen kann. Die viel zu niedrige Mittelzufuhr für die nächsten Jahre führen unter anderem dazu, dass...

...die Krankenversicherungsträger im Jahr 2013 im besten Fall mit dem selben Schuldenstand dastehen wie heute (nämlich ca. € 1,3 Mia.);...mit den Beträgen der Versicherten Kreditzinsen in der Höhe von ca. € 35 Mio. im Jahr bezahlt werden müssen und diese Mittel daher für Gesundheit nicht zur Verfügung stehen;

...Investitionen in den Ausbau und Verbesserung des Gesundheitssystems hintangestellt werden und die Schließung regionaler Versorgungslücken unterbleibt;
...eine wachsende Zahl von Kassen in eine Situation gerät, in der sie faktisch zahlungsunfähig sind.

„Auswege“ aus dieser Situation haben selbsternannte ExpertInnen wie etwa der ehemalige Bundeskanzler Schüssel oder die ehemalige Volksanwältin Korosec bereits in den Raum gestellt: Abschaffung des solidarischen Systems zu Gunsten einer Versicherungspflicht mit allen negativen Begleiterscheinungen (Mehrklassenmedizin, weniger Mittel für Gesundheitsversorgung,...). Auch das Positionspapier der Sozialpartner von Oktober vergangenen Jahres enthält Vorschläge, die nicht unwidersprochen hingenommen werden können. So etwa werden ein „Kassenwahlrecht“ und „Leistungspakete“ (Seite 42) und damit faktisch das Ende der solidarischen Versicherung angedacht. Auch die „Neuordnung der Kostenbeteiligungen“ (Seite 44) stellt eher eine gefährliche Drohung als eine positive Weiterentwicklung dar. Selbstbehalte im Gesundheitssystem haben vor allem negative Lenkungseffekte. Sie sind daher zu reduzieren.

Die Aussage des Finanzministers, die Regierung hänge dem System eine Karotte hin, ist angesichts dieser Situation nicht nur zynisch, sondern auch eine Verhöhnung der Versicherten: Sie werden die Folgen des Ausblutens der Krankenversicherungsträger in den letzten Jahren gleich mehrfach bezahlen müssen. Die Aussage ist aber auch realitätsverzerrend, da die von Pröll für die Karotte verlangten Leistungen (Einsparungen, Kompetenzänderungen etc.) vielfach kontraproduktiv sind (etwa die völlig undemokratische und sachlich nicht gerechtfertigte Stärkung der Wirtschaftskammern in den Trägern, die nicht mehr Effizienz, sondern nur mehr Vetoplayer schafft) und darüber hinaus gesetzliche Änderungen notwendig machen, die nicht von den Trägern umgesetzt werden können. Ob die Krankenversicherung die Karotte am Ende überhaupt zu essen bekommen kann, hängt also nicht von ihrer eigenen Aktivität, sondern von der Willkür politischer Entscheidungsträger wie etwa des Wirtschaftsbundes oder der Verantwortlichen einzelner Sonderversicherungsträger ab, die schon im Sommer 2008 eine Entschuldung der Kassen willkürlich verhinderten.