Antrag 3 / Nächtigungsgebühr stoppen!

zur 154. Vollversammlung der AK-Wien am 27. Oktober 2010

Antrag zugewiesen (Ausschuss f. Kommunal- u. Regionalpolitik)
FA, GA, Persp., GLB, Türkis, Kom., BDFA: ja
FSG, ÖAAB, BM: für Zuweisung

 Antragsbearbeitung

 

Die 154. Vollversammlung der Arbeiterkammer Wien unterstützt die Forderungen der von MitarbeiterInnen der Wiener Wohnungslosenhilfe gemeinsam mit dem Österreichischen Berufsverband der SozialarbeiterInnen, Landesgruppe Wien, ins Leben gerufenen Initiative für kostenlose Notschlafplätze (INKONO) und fordert die zuständige Sozialstadträtin Sonja Wehsely und die Verantwortlichen des Fonds Soziales Wien (FSW) auf, von der Einführung eines Kostenbeitrages für Nachtnotquartiere Abstand zu nehmen.

 

Begründung (zitiert aus dem Text der INKONO1):
Im Rahmen der Einführung der Bedarfsorientierten Mindestsicherung hat der Fonds Soziales Wien (FSW) beschlossen, dass wohnungslose Menschen ab 1. September die Nachtnotquartiere nur noch 2 Monate kostenlos nutzen dürfen. Danach wird ein „Kostenbeitrag“ von 4 Euro pro Nacht bzw. 120 Euro pro Monat für die Übernachtung eingehoben. Damit wird von der bisherigen Praxis, die Schlafplätze generell kostenlos zur Verfügung zu stellen, abgegangen. Die Nachtnotquartiere dienen zur Überbrückung, bis ein Wohnplatz über das Beratungszentrum Wohnungslosenhilfe vermittelt werden kann. Bereits jetzt müssen Wohnungslose allerdings mehrere Wochen warten, um überhaupt einen Termin im BZWO zu bekommen. Die Verweildauer in den Nachtnotquartieren beträgt – je nach individueller Problemlage – zwischen 6 und 12 Monate, teilweise auch länger (z.B. Personen im Substitutionsprogramm oder Wohnungslose mit Hunden).

ExpertInnen aus dem Sozialbereich gehen davon aus, dass zahlreiche Menschen aufgrund der finanziellen und bürokratischen Hürden vom Hilfssystem der Nachtnotquartiere ausgeschlossen werden. Sozialarbeiterische Unterstützung für wohnungslose Menschen wird massiv erschwert, so dass vermehrt Menschen ohne Unterkunft auf der Straße landen werden. Der hohe administrative und bürokratische Aufwand, der mit der Einhebung des Kostenbeitrags verbunden ist, schränkt sozialarbeiterische Unterstützungsangebote ein.

Die dabei entstehenden Verwaltungskosten stehen in keinem Verhältnis zu den zu erwartenden Einnahmen. ExpertInnen befürchten darüber hinaus massive Folgekosten im Sozial- und Gesundheitsbereich, sowie vermehrte Konflikte im öffentlichen Raum.
Ein Schlafplatz in einem Nachtnotquartier ist keine Wohnung, die Nächtigung dort ist kein „Wohnen“. In den Wiener Nachtnotquartieren gibt es kein Tagesangebot. Die Unterkünfte müssen bei Tagesbeginn verlassen und können erst am Abend wieder betreten werden. In den Nachtnotquartieren müssen Menschen in der Regel in Mehrbettzimmern übernachten, es gibt ausschließlich Gemeinschaftssanitäranlagen – Privatsphäre ist nicht gegeben. Von „Wohnen“ kann also keine Rede sein. In diesem Zusammenhang ist die Einhebung eines Wohnkostenanteils nicht gerechtfertigt.
Die Bezahlung eines „Kostenbeitrags“ für die Notnächtigung stellt für Suchtkranke eine massive Barriere da. Wohnungslose Menschen, deren Einkommen aufgrund ihrer Suchterkrankung (Spielsucht, Drogensucht, Alkoholsucht, etc.) bereits aufgebraucht ist, würden wieder verstärkt in ein Leben auf der Straße gedrängt werden.

Wohnungslosigkeit ist mit höheren Kosten für existenzielle Bedürfnisse verbunden. Menschen, die auf der Straße leben, können weder selbst kochen, noch Vorräte halten. Der Mietkostenanteil der Bedarfsorientierten Mindestsicherung wird für diese höheren Kosten aufgewendet werden müssen.
Steigende Obdachlosenzahlen bedeuten Folgekosten für das Gesundheits- und Sozialsystem. Das Leben auf der Straße schädigt die physische und psychische Gesundheit. Durch den zu erwartende Anstieg an Personen, die auf der Straße nächtigen werden, ist einerseits ein Anstieg der medizinischen Behandlungskosten zu erwarten, andererseits eine Steigerung der sozialen Folgekosten.
Die Bedarfsorientierte Mindestsicherung ist ohnehin nicht Existenz sichernd, sie liegt unter der Armutsgefährdungsschwelle. Der in der Bedarfsorientierten Mindestsicherung enthaltene Mietanteil muss zur Begründung der Maßnahme herhalten. Ausgeblendet wird dabei, dass die Bedarfsorientierte Mindestsicherung entgegen dem Ursprungsentwurf 12 x und nicht 14 x ausbezahlt wird und damit deutlich unter der Armutsgefährdungsschwelle von € 950,- pro Monat liegt2. Zudem ist der Bezug an Bedingungen geknüpft die gerade für wohnungslose Menschen aus psychischen und/oder physischen Gründen regelmäßig zu Bezugskürzungen und -sperren führen werden.

Aus der Stellungnahme der Interessensgemeinschaft work@social in der GPA-djp, welche die Initiative für kostenlose Notschlafplätze unterstützt:
„Unverständlich für die Beschäftigten ist, dass die vorhersehbar schwierige Einhebung des Kostenbeitrags durch die SozialarbeiterInnen und -betreuerInnen einen administrativen Aufwand verursacht, der in keiner Relation zum finanziellen Ergebnis stehen wird und für die notwendige Beratung und Betreuung sinnvoller eingesetzt wäre. Außerdem bedeutet diese Maßnahme eine noch höhere Belastung der SozialarbeiterInnen und -betreuerInnen, da KlientInnen bei Nichtbezahlung im Extremfall der Schlafplatz verweigert werden müsste. Damit wird die Beschäftigungssituation in diesem bereits jetzt sehr fordernden Bereich noch schwieriger.“
Weitere Stellungnahmen sind auf dem Blog der INKONO einzusehen.

Download: AUGE_AK_Antrag03-INKONO
Download: AUGE03-INKONO-Antragsbearbeitung