Antrag 9 / Keine Verlängerung der Funktionsperiode von Personalvertretung/Betriebsrat auf 5 Jahre!

zur 154. Vollversammlung der AK-Wien am 27. Oktober 2010

Antrag abgelehnt
FA, GA, GLB, Türkis, Kom., BDFA: ja
FSG, ÖAAB: nein
Persp., BM: für Zuweisung

 

Die 154. Vollversammlung der Arbeiterkammer Wien möge daher beschließen:

Die Arbeiterkammer Wien spricht sich entschieden gegen jedwede Bestrebungen zur Verlängerung von dzt. 4-jährigen Funktionsperioden von Personalvertretung/Betriebsrat aus. Die Wahl von Personalvertretung/Betriebsrat soll weiterhin alle 4 Jahre abgehalten werden, der maximale Abstand zwischen den Personalvertretungs-/ Betriebsrats-Wahlen, geregelt z.B. im Wiener Personalvertretungsgesetz und im Arbeitsverfassungsgesetz soll vier Jahre betragen.

 


Immer lauter werden in der letzten Zeit die Rufe, derzeit 4-jährige Funktionsperioden der betrieblichen Interessenvertretungen in Anpassung an Landtags-, Gemeinderats- oder auch Arbeiterkammerwahlen auszudehnen. Nur wird dabei etwas Offensichtliches offenbar verkannt:

Die betriebliche Interessenvertretung der Beschäftigten ist die unmittelbare Vertretung vor Ort und notwendig – auch für Gewerkschaften und Arbeiterkammern – zur Durchsetzung der Interessen der „Basis“ und von gewerkschaftspolitischen Forderungen. Wird die Funktionsperiode der unmittelbaren Vertretung vor Ort verlängert, so wird auch im Betrieb – wie teilweise schon derzeit bei einer 4-jährigen Periode – die von uns ArbeitnehmerInnenvertreterInnen oft beklagte Verdrossenheit und mangelnde Mobilisierbarkeit der Beschäftigten noch anwachsen. Denn die Wahlen sind für die KollegInnen eine Möglichkeit auch im Betrieb mitzubestimmen und v.a. auch selbst aktiv werden zu können - durch eine Kandidatur bzw. auch durch einen Beitritt zur Gewerkschaft. Nicht umsonst ist beispielsweise in Wahlzeiten in einigen Bereichen innerhalb der Gewerkschaft der Gemeindebediensteten (GdG-KMSfB) ein Anstieg der Mitgliederzahlen zu verzeichnen – weil die KollegInnen ihre Gewerkschaftsorgane selbst wählen können und weil sie, wenn sie sich entscheiden als PersonalvertreterIn oder BetriebsrätIn zu kandidieren, auch einer Gewerkschafts-Mitgliedschaft positiver gegenüber stehen.

Eine Verlängerung der Funktionsperiode würde einen bedeutenden Rückschritt der Demokratisierung der betrieblichen Interessenvertretung (Personalvertretung/ Betriebsräte) bedeuten. Dies bedeutet nichts anderes als die Einschränkung demokratischer Mitwirkungsmöglichkeiten.

Die Argumentation der BefürworterInnen einer Verlängerung der Funktionsperiode betreffend die Kosten und der Gleichschaltung mit Wahlen von gesetzgebenden Organen werfen eine wichtige Frage auf:
Ist die Gewerkschaft ein Anhängsel und Vollzugsorgan von Politik und Regierung?

Personalvertretung und Betriebsräte sind kein „Regierungsorgan“, sondern per Gesetz die Interessenvertretung der Beschäftigten. Personalvertretung und Betriebsrat kommen ihren Aufgaben nach, egal wann der Nationalrat, Landtag, Gemeinderat oder Arbeiterkammer-Vollversammlung gewählt werden.

Die Wahl der Personalvertretung und des Betriebsrates ist das wichtigste demokratische Recht der Beschäftigten. Es ist ein konkretes Recht, das durch die Verlängerung der Funktionsperiode in seiner Bedeutung geschmälert würde.

Längere Funktionsperioden heißen auch:
dass die KollegInnen seltener das Recht der Wahl haben,
dass die Basis der aktiven PersonalvertreterInnen und BetriebsrätInnen verdünnt wird - denn durch die längere Funktionsperiode gehen mehr PersonalvertreterInnen/ BetriebsrätInnen durch Kündigung, Pensionierung bzw. beruflicher Veränderung „verloren“,
dass KollegInnen noch schwerer für die Personalvertretung oder die Betriebsrats-Arbeit zu gewinnen sind, wenn sie sich zu einer noch längeren Zeit verpflichten sollen.

In vielen Bereichen ist die Wahlbeteiligung dramatisch gefallen. Dieser Trend würde sich durch eine Verlängerung der Funktionsperiode noch verschärfen.

Von einer Verlängerung der Funktionsperiode profitieren in der Frage der Absicherung von Macht und Verhältnissen die großen Mehrheitsfraktionen. Damit steht auch die Frage der Legitimation der betrieblichen Interessenvertretung in den Augen der KollegInnen auf dem Spiel. Die Verlängerung der Funktionsperiode mag aus der Sicht der Mehrheitsfraktionen eine verführerische Möglichkeit sein, die Verhältnisse in der Personalvertretung und in Betriebsräten zu stabilisieren, aber die Nachteile für die gesamte betriebliche Interessenvertretung und auch für Gewerkschaften und Arbeiterkammern sind evident.

Die Veränderungen in der Arbeitswelt sind offensichtlich, die PersonalvertreterInnen und BetriebsrätInnen sind immer häufiger mit umfangreichen Umstrukturierungen bzw. Veränderung der Arbeitsbedingungen konfrontiert. Es ist wichtig, dass sich die betriebliche Interessenvertretung auch entsprechend verstärken und „verjüngen“ kann, um auf die Herausforderungen reagieren zu können. Vier Jahre Funktionsperiode ist schon eine lange Zeit in der heutigen Arbeitswelt, fünf Jahren verstärken noch die Probleme der Interessenvertretungen insgesamt.

Es verwundert nicht, dass Dienstgeber und Unternehmensleitungen eine Verlängerung der Funktionsperiode positiv sehen und umsetzen möchten. Die Frage ist nur: wollen wir als Interessenvertretungen diesem Wunsch auf Kosten der KollegInnen, die wir zu vertreten haben, nachgeben?

Download: AUGE_AK_Antrag09-Funktionsperiode-PVBR