Antrag 2 / Keine Budgetkonsolidierung auf Kosten der ArbeitnehmerInnen - Schluss mit Steuerprivilegien für Unternehmen und Vermögende!

zur 153. Vollversammlung der Arbeiterkammer Wien am 28. April 2010

Antrag zugewiesen (Ausschuss f. Finanzpolitik)

GA, Persp., GLB, Türkis, Kom.: ja

ÖAAN, FA: nein

FSG, BM, BDFA: für Zuweisung

Antragsbearbeitung

 

Die 153. Vollversammlung der Arbeiterkammer Wien möge beschließen:

Die 153. Vollversammlung der Arbeiterkammer Wien lehnt die geplanten Budgetkonsolidierungsmaßnahmen, insbesondere in den Bereichen Arbeit, Soziales und Bildung entschieden ab. Die ArbeitnehmerInnen sind für die Krise und die daraus entstandenen Kosten für die Gesellschaft nicht verantwortlich. Die ArbeitnehmerInnen haben bereits für die Krise gezahlt – durch ihre Steuern, durch steigende Arbeitslosigkeit, durch Einkommensverlust im Rahmen von Kurzarbeit.


Entsprechend dem Leistungsfähigkeits- und Verursacherprinzip sind nun jene zur nachhaltigen Finanzierung der öffentlichen Haushalte heranzuziehen, die von der neoliberal ausgerichteten Wirtschafts- und Steuerpolitik der letzten Jahrzehnte besonders profitiert haben.


Die AK Wien fordert daher eine umfassende Reform der Vermögens- und Unternehmens¬besteuerung. Diese beinhaltet vor allem

• die Wiedereinführung einer progressiv gestalteten Erbschafts- und Schenkungssteuer, wobei kleine und mittlere Erbschaften- und Schenkungen über Freibetragsregelungen steuerfrei zu stellen sind.
• Die Einführung einer allgemeinen, progressiv gestalteten Vermögenssteuer auf Immobilien- und Finanzvermögen (Nettovermögen) wobei kleine und mittlere Vermögen über Freibetragsregelungen steuerfrei zu stellen sind.
• Die Aufhebung der Spekulationsfrist für Wertpapiere und Immobilien, nach der Gewinne aus dem Verkauf von Wertpapieren und Immobilien steuerfrei gestellt sind.
• Die Wiedereinführung einer reformierten Börsenumsatzsteuer auf in Österreich gehandelte Finanzprodukte, jedenfalls so lange, bis zumindest auf EU-Ebene eine Finanztransaktionssteuer umgesetzt wird
• Die volle Besteuerung von Vermögenszuwächsen in Privatstiftungen sowie die Einbeziehung von in Privatstiftungen geparkten Vermögen in ein neues System der Erbschaftsbesteuerung – etwa über ein „Erbschaftssteueräquivalent“
• Die Einbeziehung von Versicherungen in ein System der „Bankenbesteuerung“
• Die Rücknahme der Gruppenbesteuerung sowie eine Reform der Körperschaftssteuer, die Steuerschlupflöcher schließt und den Anteil der Unternehmenssteuern am Gesamtsteueraufkommen zumindest auf das durchschnittliche EU-Niveau hebt
• Als Vorraussetzung für ein funktionierendes System der Vermögensbesteuerung: Abschaffung des Bankgeheimnisses, volle Einbeziehung bisher nur „endbesteuerter“ Finanzvermögen in Vermögenssteuern, realistische Bewertung von Grundstücken und Immobilien – Heranführung an den Verkehrswert, realistische Freibetragsregelungen, die kleine und mittlere Vermögen bzw. Erbschaften und Schenkungen steuerfrei stellen


Der Konsolidierungspfad für das österreichische Budget liegt vor: bis 2014 sollen in Summe 3.474,9 Mio. Euro eingespart werden. Besonders massiv sind die Einsparungsvorhaben dabei in den Bereichen Arbeit, Soziales, Sozialversicherung, Pensionen, Gesundheit, sowie Familie und Jugend. Alleine 2011 liegt die Konsolidierungserfordernis bei Euro 935,7 Mio Euro (davon Arbeit knapp 125 Mio. Euro, Soziales und KonsumentInnenschutz – darunter Pflegegeld – knapp 86 Mio. Euro), bis 2014 bei 2.030,5 Mio Euro (davon Arbeit 267,1 Mio. Euro, Soziales und KonsumentInnenschutz 186,2 Mio. Euro). Auch im Bildungsbereich sind massive Einsparungen geplant: im Bereich Unterricht inkl. Kunst und Kultur für das Jahr 2011 111,9 Mio. Euro (2014: 234 Mio Euro), im Bereich Wissenschaft und Forschung 2011 49,4 Mio. Euro (2019: 101,0 Mio. Euro).

Einsparungen bei Soziales und Bildung sind Einsparungen, die insbesondere ArbeitnehmerInnen, Arbeitslose und sozial, wie ökonomisch Benachteiligte Gruppen treffen. Damit drohen die Kosten der Krise einmal mehr auf jene abgewälzt zu werden, die für diese Krise nicht verantwortlich sind. Dabei sind gerade auch der Sozial- und der Bildungsbereich – Stichwort Pflege und Betreuung, Ganztagsschule, Kinderbetreuung, Universitäten – Bereiche, in die massiv investiert werden sollte. Hier den Sparstift anzusetzen, ist nicht zur sozialpolitisch verantwortungslos, sondern auch ökonomisch kurzsichtig.

Hinsichtlich der einnahmeseitigen Maßnahmen zur Budgetkonsolidierung dominieren derzeit konkrete Überlegungen zu einer Erhöhung von Massensteuern, die Erhöhung von vermögensbezogenen Steuern bleibt bislang in hohem Maße unkonkret. Lediglich hinsichtlich einer Bankenabgabe besteht – zumindest hinsichtlich der Einführung einer solchen – Einigkeit.

Dabei wäre eine umfassende Besteuerung von Vermögen, Vermögensübergängen und Vermögenszuwächsen, aber auch eine Reform der Unternehmensbesteuerung ein Gebot der Stunde.

• Österreich ist innerhalb der EU nach wie vor Schlusslicht bei der Besteuerung von Vermögen. Während 2005 – noch vor Abschaffung der Erb- und Schenkungssteuer - in Österreich Steuern auf Vermögen lediglich 0,6 % des BIP betragen, liegt das Aufkommen aus Vermögenssteuern innerhalb der EU 15 bei 2,1 %, innerhalb der EU 19 immer noch bei 1,8 %.
• Während in der Periode 2000 – 2008 die Gewinn- und Besitzeinkommen um 56 % gestiegen sind, stieg die Steuerleistung lediglich um 44 %. Im gleichen Zeitraum stiegen die Lohneinkommen um 31 %, das Lohnsteueraufkommen allerdings um 47 %.
• Entsprechend hoch liegt in Österreich der implizite Steuersatz auf Arbeit, nämlich bei 41 % (EU-25: 37 %), jener auf Kapital bei 26 % (EU 25: 34 %)

Mit der Abschaffung der Erb- und Schenkungssteuer sind Vermögensübergänge überhaupt nicht mehr besteuert, obwohl gerade die Erb- und Schenkungssteuer sozial ausgesprochen treffsicher war, stammen doch alleine aus den vier größten Erbschaftsfälle vor Abschaffung der Erbschaftssteuer beinahe ein Viertel des gesamten Erbschaftssteueraufkommens, aus den untersten zwei Drittel der Erbschaftsfälle (40.000 ErbInnen) dagegen lediglich 7% des Gesamtaufkommens.

Nicht zuletzt die umfangreichen Untersuchungen der OeNB zur Verteilung von Finanz-, Immobilien- und Unternehmensvermögen belegen einmal mehr, den hohen Konzentrationsgrad von Vermögen bei den reichsten Mitgliedern der Gesellschaft:

• so besitzt das reichste 1 Prozent 27% des Geldvermögens, die reichsten 10% über 50%, das reichste Drittel vier Fünftel des Geldvermögens.
• Bei den Immobilienvermögen gestaltet sich die Verteilung noch ungleicher: die reichsten 10 Prozent halten gleich über 60 Prozent des gesamten Immobilienvermögens.
• lediglich 3 % aller privaten Haushalte hielten 2005 Finanzvermögen in Form von Unternehmensbeteiligungen im Ausmaß von rund 22,3 Mrd. Euro, der Anteil an GmbH-Beteiligungen beläuft sich bei ca. 18,6 Mrd. Euro. Dabei hält das Top-Zehntel mit 17,1 Mrd. Euro GmbH-Beteiligungen alleine rund 92 %, das Top-Promille 39 %, das Top-Zehntausendstel rund 25 %.

Die geringe Besteuerung von Vermögen, Einkommen aus Vermögen und Unternehmensgewinnen in Österreich widerspricht nicht nur dem Leistungsfähigkeitsprinzip, wonach entsprechend der ökonomischen Leistungsfähigkeit eine entsprechende Steuerleistung zu entrichten ist, es widerspricht auch dem Verursacherprinzip: da eine wesentliche Ursache der Krise in der wachsenden verteilungspolitschen Schieflage und einer entsprechenden Politik, die Vermögensbildung, -anhäufung und -konzentration in den letzten Jahrzehnten massiv gefördert hat, liegt, sollen nun auch die Krisenverursacher für die finanzielle Bewältigung der Krise aufkommen bzw. über eine entsprechende Steuer- und Verteilungspolitik mögliche künftige Krisenentwicklungen, die in einer verteilungspolitischen Schieflage begründet sind, eingedämmt werden.

Zusätzlich braucht es in den öffentlichen Haushalten Finanzmittel, um ohnehin längst überfällige Investitionen in Bildung, Soziale Dienstleistungen und Klimaschutz – ein Konjunkturpaket III – nachhaltig und ausreichend finanzieren zu können, und so gesellschaftlichen Mehrwert schaffende Beschäftigung zu sichern und zu erhöhen.