Analyse zur AK-Wahl 2014 in Vorarlberg
GEMEINSAM definierte für die AK-Wahlen 2014 zwei ehrgeizige Wahlziele auf. Beide wurden zu mehr als die Hälfte erfüllt: Das fünfte Mandat wurde nur um rund 60 Stimmen verfehlt. Dieses Wahlziel wurde also sehr knapp verfehlt. Die Freude über das vierte Mandat ist aber ungebrochen groß. Mit 6,7 % liegt das GEMEINSAM-Ergebnis deutlich über dem Ergebnis der Freiheitlichen von 2009. Das Wahlziel, drittstärkste Fraktion zu werden, war also durchaus realistisch. Dass es gelang, die sogenannte "Neue Bewegung für die Zukunft" zu überholen, ist aber ein wichtiges und erfreuliches Signal.
GEMEINSAM geht also gestärkt und hoch motiviert an die Arbeit für die nächsten fünf Jahre in der Arbeiterkammer Vorarlberg.
Nachfolgend eine Analyse der Detailergebnisse aus GEMEINSAM-Sicht, soweit diese überhaupt zur Verfügung stehen. (Abkürzungsverzeichnis am Ende des Artikels)
Das Gesamtergebnis
Im Vergleich zu früheren AK-Wahlen hat sich insgesamt relativ wenig bewegt. Nur drei Mandate sind gewandert. Der ÖAAB verlor eines, die FSG zwei. Davon gewannen die FA zwei und GEMEINSAM eines.
Die dramatischsten Änderungen waren von 1999 auf 2004 zu verzeichnen. Der schon etwas verbrauchte AK-Präsident Josef Fink unterstützte Schwarz-Blau. Die FSG konnte sich dagegen gut profilieren und ihr historisch schlechtestes Ergebnis von 16,1 % im Jahre 1999 um fast 20 % verbessern. Sie kam auf 35,2 %. Mit den Wahlen 2009 und 2014 stabilisiert sich die FSG bei knapp 30 %. Der ÖAAB konnte 2009 mit dem neuen Präsidenten Hubert Hämmerle die absolute Mehrheit zurück gewinnen und diese 2014 mit leichten Verlusten halten.
Die FA lagen vor Schwarz-Blau zu Haiders besten Zeiten schon deutlich über 10 %. An diese Ergebnisse wollten sie nun anschließen, was ihnen aber trotz großer Unterstützung durch die Landespartei nicht gelang. Sie haben zwar die größten Zugewinne, liegen mit 8,3 % aber deutlich unter der 10-%-Marke. Allerdings gelingt ihnen der Wiedereinzug in den AK-Vorstand.
Die NBZ trat 1999 erstmals an und verliert kontinuierlich. Sie konnte dieses Mal ihr viertes Mandat nur sehr knapp halten und sackte von Platz drei auf Platz fünf ab.
GEMEINSAM erlitt 1999 durch das erstmalige Antreten der NBZ leichte Einbußen, gewinnt seitdem aber kontinuierlich hinzu. Das fünfte Mandat wurde nur knapp verfehlt. GEMEINSAM hat – trotz sinkender Wahlbeteiligung 2014 – abermals in Stimmen, Prozenten und Mandaten gewonnen.
Detailergebnisse
Detailergebnisse liegen nur sehr bedingt vor. Mehr als die Hälfte der Wahlberechtigten bzw. Wähler/innen waren Briefwähler/innen. Ihre Stimmen landeten alle in einem großen "Topf" und sind nicht weiter analysierbar. In den Betriebssprengeln sind oft mehrere mittelgroße Betriebe zusammengefasst, sodass auch nicht klar ist, woher die Stimmen tatsächlich kommen. Manche Sprengel wurden neu zusammengestellt, sodass ein Vergleich mit den letzten Wahlen unmöglich wird, und in Sprengeln mit weniger als 50 abgegebenen Stimmen landen diese in einem Bezirkstopf, sind also auch nicht mehr zuordenbar.
Vergleichbar sind die Bezirksergebnisse und manche Betriebe.
Die Betriebsergebnisse liegen beim ÖAAB, bei der FA und bei GEMEINSAM traditionell etwas unter dem Gesamtergebnis. Bei der FSG und der NBZ etwas darüber. Diese beiden Fraktionen können ihre Basis in den Betrieben also etwas besser mobilisieren.
Bezirksergebnisse Betriebe
Auch Bezirksergebnisse sind nur bedingt vergleichbar, da Betriebe von der Betriebs- zur Briefwahl wechseln und umgekehrt und da landesweit tätige Betriebe teilweise ihre "Bezirkszugehörigkeit" wechseln.
Bludenz
Der Bezirk Bludenz ist traditionell eine FSG-Hochburg. Sie erzielte hier stets Ergebnisse deutlich über 40 %, musste hier nun aber mit minus 7,5% die deutlichsten Verluste hinnehmen und landete bei 39,5 %. (Bei den FSG-Verlusten gibt es einen klaren Süd-Nord-Trend: Sie sind am Bodensee am geringsten.)
Großer Gewinner ist hier der ÖAAB mit plus 4,2 % und fast der Hälfte der Stimmen (49,2 %).
Die NBZ verliert weniger als im Landeschnitt. Die FA gewinnt weniger.
GEMEINSAM hatte hier von 2004 auf 2009 dramatisch verloren konnte nun aber wieder deutlich Boden gut machen. 2004 waren es 130 GEMEINSAM-Stimmen, 2009 nur noch 53, nun waren es immerhin wieder 105 bzw. 2,6 %.
Feldkirch
Das GEMEINSAM-Ergebnis der Betriebssprengel im Bezirk Feldkirch liegt mit 7,3 % deutlich über dem Gesamtergebnis. Auch hier verliert die FSG stark: minus 4,3 %. Auch hier gewinnt der ÖAAB – entgegen den Landestrend – leicht. Die FA-Gewinne liegen über dem Landestrend, ebenso die NBZ-Verluste.
Dornbirn
In den Dornbirner Betriebssprengeln liegt der ÖAAB nur knapp über der absoluten Mehrheit (50,5 %). Die FSG liegt noch deutlicher unter dem Landesschnitt: 24,2 %. Auch die FA hat hier ein schlechtes Ergebnis. 7,4 % liegen unter dem Landesschnitt und auch unter dem FA-Ergebnis von 2004. Es zeigt sich, dass in diesem hochindustrialisierten Bezirk die "Inländerfraktionen" am deutlichsten die Hegemonie über die türkischstämmigen Arbeitsmigrant/innen verloren haben: GEMEINSAM erreicht das landesweit beste Ergebnis mit 7,8 %. Die NBZ kann hier entgegen den Landestrend zulegen und ihren dritten Platz behaupten: 8,9 %. Auch der GLB hat hier mit 1,1 % sein bestes Ergebnis.
Bregenz
Während die anderen Bezirke mit 4.025 bis 4.439 Stimmen fast gleich groß sind, ist der Bezirk Bregenz mit 9.853 mehr als doppelt so gewichtig.
Das Ergebnis sowie Gewinne und Verluste liegen dementsprechend näher am Landesdurchschnitt. Das GEMEINSAM-Ergebnis liegt knapp am Landesdurchschnitt, der Zugewinn von 2,2 % aber deutlich darüber.
Betriebsergebnisse
Allgemein lässt sich sagen, dass Betriebsergebnisse sehr, sehr unterschiedlich sind und von Wahl zu Wahl oft deutlich schwanken. Es kommt auch vor, dass in einem Betrieb die Mehrheiten gegen den Landestrend kippen. Entscheidend scheint stets zu sein, welche Fraktionen im jeweiligen Betrieb Aktivist/innen haben, die die Wähler/innen in das Wahllokal "treiben".
Diese Erkenntnis aus früheren Wahlen hat bei GEMEINSAM zum strategischen Ziel geführt, sich hier durch attraktive Kandidat/innen bzw. Aktivist/innen vor Ort zu verbessern. Es gibt deutliche Hinweise darauf, dass diese Einschätzung richtig und die Strategie dazu erfolgreich war. Einerseits gingen in Betrieben, in denen es im Unterschied zu 2009 keine GEMEINSAM-Aktivist/innen mehr gab, zahlreiche Stimmen verloren. Andererseits konnte GEMEINSAM aber überall dort, wo Aktivist/innen vor Ort waren, teilweise sehr, sehr deutliche Stimmgewinne verbuchen bzw. Hochburgen verteidigen. Wenig verwunderlich ist, dass sich Aktivist/innen, die ein Betriebsratsmandat haben, im AK-Wahlkampf wesentlich leichter tun und im Verhältnis noch bessere Ergebnisse erzielen.
Caritas
Das nach Prozenten beste Betriebsergebnis erzielt GEMEINSAM im Caritas-Wahllokal. Hier waren aber nicht alle Caritas-Mitarbeiter/innen wahlberechtigt. Ein bedeutender Teil waren Briefwähler/innen. 2009 war die Wahlbeteiligung in der Caritas unter 50 Stimmen, womit es keine Vergleichszahlen gibt. 2004 haben 15 Kolleg/innen GEMEINSAM gewählt. Das waren 16,1 %.
2014 haben 66 Wahlberechtigte gewählt. 27 davon GEMEINSAM. Das sind 41 %. Nur 25 wählten den ÖAAB. Es wäre nur sehr schwer argumentierbar, dass diese relative Stimmenmehrheit nicht etwas mit der zweitgereihten GEMEINSAM-Kandidatin und Caritas-Flüchtlingshelferin Annibe Riedmann zu tun hätte. Zu bemerken ist, dass auch der ÖAAB einen Caritas-Kandidaten hatte.
Blum
Zu sagen, der Beschlägehersteller Blum ist der größte und wichtigste Betriebssprengel, greift zu kurz, wurden hier doch 3.201 Stimmen abgegeben und somit rund vier von 70 AK-Mandaten vergeben. Der zweitgrößte Sprengel, die Firma Getzner, ist gerade mal 781 Wähler/innen schwer.
GEMEINSAM hatte hier zwar in einzelnen Werken stets Aktivist/innen aber immer Ergebnisse, die den Landesschnitt senkten. Das ist ab sofort anders. GEMEINSAM hatte hier 2004 und 2009 genau 110 Stimmen. Heuer sind es 233 bzw. 7,4 %. GEMEINSAM verzeichnet "im Blum" bei deutlich steigender Wahlbeteiligung mit + 3,3 % den deutlichsten Zugewinn aller Fraktionen. Der Hauptkonkurrent im türkischstämmigen Wählersegment, die NBZ, liegt mit 12,3 % zwar immer noch vorne, verliert aber 3,1 %. Dem GEMEINSAM-Aktivisten und Ersatzbetriebsrat Metin Izgi ist es gelungen, eine GEMEINSAM-Wahlkampfgruppe aufzubauen und eine sicht- und spürbare und letztlich erfolgreiche Kampagne zu starten.
Rauch
Rauch Fruchtsäfte ist einer der größten Betriebe ohne Betriebsrat und – vielleicht auch deshalb – eine NBZ-Hochburg. Die NBZ verlor zwar leicht, konnte ihre Position als stärkste Kraft aber halten (28,9 %). GEMEINSAM konnte sich hier von 2,3 % auf 15,3 % (36 Stimmen) steigern.
Fussenegger
Einen großen Zuwachs verzeichnet GEMEINSAM mit Cetin Izgi als Kandidaten auch bei Fussenegger Textil: von 1,1 % auf 9,1 %.
Tridonic + Zumtobel
Bei der Zumtobel-Tochter Tridonic stellt GEMEINSAM mit Can Bozgül erstmals bei einer AK-Wahl einen freigestellten Betriebsratsvorsitzenden. Die Zahl der Arbeiter ist hier deutlich zurück gegangen und ihr Anteil an der Gesamtbelegschaft hat sich reduziert. Dennoch erzielte GEMEINSAM lediglich zwei Stimmen weniger und konnte mit 25,9 % im gesamten Betrieb (inkl. Angestellte) den Stand von 2009 fast halten. Die NBZ hingegen, die hier ebenfalls vorwiegend auf Arbeiterstimmen fokussiert, erhielt nur noch 3,8 %.
Bei Zumtobel konnte das Ergebnis leicht auf 5,8 % verbessert werden.
Huber
Im Textilbetrieb Huber Trikot hatte GEMEINSAM schon bisher eine gute Basis, teilweise auch durch Betriebsratsmitglieder: 5,3 % 2004, 8 % 2009 und nun satte 15,4 % und gleichzeitig ein Verlust der ÖAAB-Absoluten, die hier ebenso wie die FSG dramatisch verliert. Neben GEMEINSAM gewinnen hier auch NBZ und FA überdurchschnittlich. Dass es GEMEINSAM hier gelingt sich fast zu verdoppeln, ist in erster Linie dem Betriebsrat Eren Bulanık zu verdanken.
Wolford
Der Textilienhersteller Wolford hat viele Mitarbeiter/innen, auch GEMEINSAM-Sympathisant/innen, gekündigt. Dadurch sank auch die Zahl der GEMEINSAM-Stimmen. Der Stimmenanteil konnte aber um 1,1 % auf 9,3 % ausgebaut werden.
Rupp
Der Käsehersteller Rupp ist einer der wenigen Betriebe mit einem blauen Betriebsratsvorsitzenden. Dieser verlor hier gegen den Landestrend von 42,0 % auf 34,2 % (- 7,9 %). GEMEINSAM kann sich Dank eines einzigen Aktivisten, der noch in den letzten Wahlkampftagen gewonnen werden konnte, von 5,3 % auf 8,3 % verbessern.
Carini
In der Etiketten-Druckerei Carini konnten die GEMEINSAM-Aktivist/innen das Ergebnis von 16 % auf 16,1 % ausbauen (gemeinsamer Sprengel mit der Ärztekammer).
Kaufmann
Im Bregenzerwälder Holzbauunternehmen erhielt GEMEINSAM schon 2009 23 Stimmen und wurde deutlich zweitstärkste Fraktion (27,1 %). Vielleicht gab es deshalb in diesem Dreischichtbetrieb nur eine halbstündige Wahlzeit an einem Vormittag, weswegen Nacht- und Nachmittagsschichtarbeiter/innen an einem Tag zwei Mal in den Betrieb mussten bzw. nicht wählen konnten. Es wären sonst noch mehr als die erreichten 25 Stimmen bzw. 23,6 % für GEMEINSAM möglich gewesen.
Ölz
Die Großbäckerei Ölz ist wie Rauch ein Großbetrieb ohne Betriebsrat und (deshalb ?) eine NBZ-Hochburg: Mit 42 % (+ 1 %) hat sie hier ihr bestes Ergebnis. Doch auch GEMEINSAM kann sich hier von 14,6 % auf 22,5 % deutlich steigern und ist damit zweitstärkste Fraktion.
Arbeitskreis für Vorsorge und Sozialmedizin
Im AKS konnte Maria Tschaikner 24 Stimmen mobilisieren, was für 27 % reichte.
Außer bei der Caritas, im Vorarlberger Kinderdorf, wo sich GEMEINSAM von 7 auf 19 Stimmen verbesserte, und im AKS, gab es in keinem Sozialbetrieb ein Wahllokal. Die vorhandenen Betriebsergebnisse zeigen aber, dass hier noch weit mehr Potenzial für Betriebsratskandidaturen vorhanden wäre.
Weitere bemerkenswerte Ergebnisse
Frastanzer Bier + Gastina 19,2 % (+ 16,5 %),
Diözese + St. Arbogast 18,5 % (- 8 %),
Fachhochschule 18,3 %,
Festspiele 12,5 % (- 0,7 %)
Bachmann Electronic 12,1 % (+ 2,5 %)
Baur Prüf- und Messtechnik 11,0 % (+ 8,3 %)
Head 9,9 % (+ 7,9 %),
Hirschmann 9,2 % (+ 1,9 %),
Alpla 8,3 % (+ 4,2 %),
Arbeitsmarktservice 7,8 % (- 1,9 %)
Nägelebau 6,9 % (+ 2,5 %) - bestes GEMEINSAM-Ergebnis im Bau,
Medienhaus 6,7 % (+ 2,6 %),
Arbeiterkammer 5,0 % (+ 3,1 %),
Ergänzend muss festgehalten werden, dass sich das GEMEINSAM-Ergebnis in einigen Betrieben aber verschlechtert hat (z. B. Diözese, Krankenhäuser, Bantex, ORF, Schöller) und dass es sich in manchen Betrieben, in denen es durchaus GEMEINSAM-Aktivist/innen gab, weniger als erhofft verbessert hat (z. B. ÖBB, Grass) oder sogar ebenfalls verschlechtert hat (Gasser-Kunert, Mahle-König, AMS).
Die Sprengel mit den meisten GEMEINSAM-Stimmen
233 Blum – 7,4 %
83 Tridonic – 26,0%
47 Wolford – 9,3 %
37 Zumtobel – 5,8 %
36 Rauch – 15,3 %
Die Sprengel mit den besten GEMEINSAM-%-Ergebnissen
40,9 % Caritas – 26 Stimmen
27,0 % Arbeitskreis für Vorsorge und Sozialmedizin – 24 Stimmen
26,0 % Tridonic – 83
23,6 % Kaufmann (e.a.) – 25
22,5 % Ölz – 31
Die Sprengel mit den größten %-Zuwächsen
Arbeitskreis für Vorsorge und Sozialmedizin – 24 Stimmen
+ 24,8 % Caritas (im Verhältnis zu 2004)
+ 16,5 % Frastanzer Bier + Gastina
+ 13,0 % Rauch
+ 8,3 Baur
Abkürzungen
AK – Kammer für Arbeiter und Angestellte (Arbeiterkammer)
ÖAAB, eigentlich ÖAAB-FCG – Österreichischer Arbeiter- und Angestelltenbund – Fraktion Christlicher Gewerkschafter (ÖVP)
FSG, Fraktion Sozialdemokratischer Gewerkschafter/innen (SPÖ)
FA, Freiheitliche Arbeitnehmer (FPÖ)
NBZ, Neue Bewegung für die Zukunft, sunnitisch-türkisch dominierte Liste
GLB, Gewerkschaftlicher Linksblock (KPÖ + Piraten)