Antrag 03 zur 150. Hauptversammlung der Bundesarbeitskammer am 14.Juni 2012
Antrageinstimmig angenommen
Keine Nulllohnrunden in den öffentlichen Diensten!
Im Rahmen der Budgetkonsolidierung hat sich die Bundesregierung für eine Nulllohnrunde im öffentlichen Dienst des Bundes und bei den LandeslehrerInnen ausgesprochen und diese beschlossen. Inzwischen denken auch andere Gebietskörperschaften - Länder und Gemeinden - für ihre Beschäftigten Nulllohnrunden an.
Nulllohnrunden im öffentlichen Dienst betreffen dabei nicht nur die Beschäftigten von Bund, Ländern und Gemeinden, sondern drohen sich auch auf die ArbeitnehmerInnen ausgegliederter, öffentlicher Unternehmungen sowie sozialwirtschaftlicher Einrichtungen/Vereine, die mit der Erbringung sozialer Dienste im Auftrag der öffentlichen Hand betraut sind, sowie auf die Beschäftigten von Anstalten/Körperschaften des öffentlichen Rechts (z.B. Sozialversicherungen) auszuwirken, deren Einkommensentwicklung unmittelbar bzw. mittelbar an jener des öffentlichen Dienstes gekoppelt ist.
Die Verdienststruktur im öffentlichen Dienst ist dabei ebenso breit gefächert wie die Berufsfelder. Ein beträchtlicher Anteil der Beschäftigten im öffentlichen Dienst – bei Bund, Ländern, Gemeinden - liegt im unteren und mittleren Einkommensbereich. Für BezieherInnen mittlerer und – vor allem – niedriger Einkommen ist die Nulllohnrunde schlicht existenzgefährdend. Besonders betroffen sind dabei Frauen. Erinnert sei in diesem Zusammenhang, dass laut Einkommensbericht des Rechnungshofs 2010 im „Niedriglohnbereich“ Soziales und Gesundheit bzw. Erziehung und Unterricht (öffentlicher Dienst, ausgegliederter öffentlicher Dienst bzw. überwiegend durch die öffentliche Hand finanzierter Bereich) der Frauenanteil mit 79 bzw. 55 % besonders hoch liegt (mittleres Jahreseinkommen Soziales und Gesundheit: 19.672 Euro, mittleres Jahreseinkommen Erziehung und Unterricht: 17.463 Euro, mittleres Jahreseinkommen unselbständig Beschäftigte Österreich 2009: 24.449 Euro).
Geschätzter Weise liegt rund ein Drittel aller öffentlich Bediensteten unter dem österreichischen Medianeinkommen, was allerdings rund ein Fünftel der Lohnsumme im öffentlichen Dienst ausmacht!
Einrichtungen der Sozialwirtschaft bzw. des (Elementar-)Bildungsbereichs, die mit der Erbringung sozialer bzw. bildungspolitischer Dienstleistungen seitens der öffentlichen Hand beauftragt werden, können zwar nicht unmittelbar gezwungen werden, Nulllohnrunden zu übernehmen, jedoch droht sich gerade in Sparzeiten die gängige Praxis bzw. Entwicklung, Förderungen bzw. Subventionen unabhängig von Lohnabschlüssen gleich zu belassen zu reduzieren, noch zu verstärken. Zusätzlich orientieren sich innerbetriebliche Lohn- und Gehaltsschemata bzw. Betriebsvereinbarungen in zahlreichen entsprechenden Einrichtungen, die nicht dem BAGS-KV unterliegen, an entsprechenden Einkommen im öffentlichen Dienst. Nulllohnrunden drohen in derartigen Betrieben unmittelbar schlagend zu werden.
Von der seitens der Bundesregierung angekündigten bzw. beschlossenen Nulllohnrunde sind damit nicht nur rund 210.000 Bedienstete des Bundes und LandeslehrerInnen unmittelbar betroffen: die Nulllohnrunde droht auf über 900.000 Beschäftigte – Bundes-, Gemeinde-, Landesbedienstete, ArbeitnehmerInnen des Sozial- und Gesundheitsbereichs, ausgegliederter Betriebe sowie des Erziehungs- und Bildungssektors – mittel- wie unmittelbare Auswirkungen zu haben.
Damit bekommen die geplanten bzw. angedachten Nulllohnrunde allerdings eine weit über den öffentlichen Bundesdienst hinausgehende, wirtschaftspolitische Bedeutung, handelt es sich doch um beinahe ein Drittel aller unabhängig Beschäftigten, die betroffen sein könnten: es droht sich die, gerade in wirtschaftlichen Krisenzeiten zur Krisenbewältigung bzw. Konjunkturstabilisierung so wichtige Konsumnachfrage - angesichts des mit einer Nulllohnrunde verbundenen Kaufkraftverlustes – abzuschwächen, was die Krisensituation noch zu verschärfen droht. Der Aufnahmestopp in weiten Bereichen des öffentlichen Dienstes – ebenfalls regierungsseitig für den Bund bereits beschlossen, auf Landes- und Gemeindeebene vielfach angedacht – und der daraus resultierende Abbau relativ sicherer Arbeitsverhältnisse mit stabilen Einkommen, wird diese Entwicklung noch befördern.
Nulllohnrunden sind daher grundsätzlich abzulehnen. Es ist vollkommen uneinsichtig, warum gerade öffentlich Bedienstete, die vielfach gesellschaftlich wichtige wie notwendige, „sozialen Mehrwert“ schaffende Arbeit – von Bildung, Gesundheit, Betreuung, Erhalt von Rechtsstaatlichkeit, Sicherheit und Kultur bis hin zu Infrastruktur und Mobilität – erbringen, nicht am gesamtgesellschaftlichen Wohlstand, der ohnehin immer ungleicher verteilt ist, entsprechend beteiligt werden sollen. Nulllohnrunden sind Budgetkonsolidierungsmaßnahme zu Lasten der ArbeitnehmerInnen – unabhängig davon, ob diese öffentlich bedienstet, oder privat beschäftigt sind.
Die 150. Hauptversammlung der Bundesarbeitskammer möge daher beschließen:
Die Bundesarbeitskammer spricht ihre grundsätzliche Ablehnung von Nulllohnrunden aus. Nulllohnrunden treffen insbesondere untere und mittlere Einkommensgruppen sozial hart – unter ihnen besonders viele weibliche Beschäftigte, junge sowie vielfach unter prekären Einkommens- und Beschäftigungsbedingungen arbeitende.
Die Bundesarbeitskammer fordert daher für 2013 und 2014 Verhandlungen für die Beschäftigten der öffentlichen Dienste des Bundes, der Länder, der Gemeinden und der ausgegliederten Betriebe sowie eine Teuerungsabgeltung insbesondere für die Beschäftigten im unteren und mittleren Einkommensbereich. Gerade in wirtschaftlichen Krisenzeiten gilt es, Kaufkraft zu erhalten und die Konsumnachfrage zu stärken. Nulllohnrunden wirken hier kontraproduktiv.
Die Bundesarbeitskammer lehnt weiters jeden Versuch ab, mit etwaigen Nulllohnrunden im öffentlichen Dienst ein Präjudiz für Lohn- und Gehaltsverhandlungen in anderen Branchen – insbesondere in solchen, welche von öffentlichen Mitteln abhängig sind bzw. für die öffentliche Hand Aufgaben erbringen – schaffen zu wollen. Ein Umlegung auf andere Branchen ist unzulässig.
Die Bundesarbeitskammer fordert zusätzlich die Rücknahme des Aufnahmestopps im öffentlichen Dienst.