Antrag 7 / Clean IT: Privatisierte Überwachung
zur 151. Hauptversammlung der Bundesarbeitskammer am 22. November
Antrag mehrheitlich angenommen
FSG, FA: ja
ÖAAB: nein
Die 151. Hauptversammlung der Bundesarbeitskammer möge daher beschließen:
Die Bundesarbeitskammer fordert die Bundesregierung auf, all diese undemokratischen Machenschaften entschieden zu unterbinden, und seine BürgerInnen davor zu schützen.
Insbesondere wird die Bundesregierung aufgefordert, diese Initiative auch auf EU–Ebene zu verhindern!
Der nächste Anschlag auf Netzneutralität und Meinungsfreiheit steht bevor: Europäische Internet-Anbieter sollen alle Internet-Verbindungen überwachen und bestimmte Inhalte herausfiltern. Das schlägt das "Clean IT"-Projekt einiger EU-Staaten in einem internen Entwurf vor, den die NGO European Digital Rights (EDRi) jüngst veröffentlicht hat. Im "Kampf gegen Terrorismus" sollen Firmen ihre Geschäftsbedingungen verschärfen, teilweise am Gesetzgeber vorbei.
Finanziert von EU-Innenkommissarin Cecilia Malmstroem wollen Strafverfolgungsbehörden zusammen mit Providern und Filter-Herstellern "freiwillige Verhaltensregeln" aufstellen, um die "terroristische Nutzung des Internets einschränken" und die "illegale Nutzung des Internets bekämpfen".
Die bisherigen Treffen der Initiative haben vornehmlich Firmen angezogen, die Filtertechnologien herstellen und Absatzchancen für ihre Produkte sehen. Und deren Arbeit hat sich ausgezahlt, wie ein internes Dokument belegt. European Digital Rights hat soeben einen Entwurf der angepeilten Verhaltensregeln veröffentlicht. Darin findet sich ein ganzer Katalog an schlechten und gefährlichen Maßnahmen, darunter zahlreiche Vorschläge für den Einsatz diverser Filtertechnologien durch staatliche und private Stellen. Regierungen sollen neue Filter finanzieren und der Einsatz von zu seichten Filtern bestraft werden.
Die Grundprobleme des ganzen Projekts bleiben unangetastet: Es gibt keine Definition der zu bekämpfenden "terroristischen" Inhalte. Es gibt kein klar identifiziertes Problem, das angegangen werden soll, vielmehr soll Aktionismus gezeigt werden. Die Vorschläge gehen komplett an demokratischen und rechtsstaatlichen Prinzipien wie Gesetzen und richterlicher Kontrolle vorbei.
Stattdessen sollen private Unternehmen ihre Geschäftsbedingungen anpassen, um unerwünschte Inhalte zu untersagen. Firmen sollen Inhalte nach Gutdünken entfernen, ohne richterliche Anordnung oder Kontrolle. Die Privatisierung der Rechtsdurchsetzung schaltet in den Turbo-Gang.
In dem Dokument finden sich unter anderem folgende Vorschläge:
Schaffung von Gesetzen, dass Behörden auf Online-Patrouille gehen können, inklusive der (vermutlich anonymen) Teilnahme an Online-Diskussionen
-
Aufhebung von Gesetzen, die das Filtern und Überwachen der Internet-Anschlüsse von Mitarbeiter/innen in Firmen verbieten
- Strafverfolgungsbehörden soll es ermöglicht werden, Inhalte entfernen zu lassen "ohne arbeitsintensive und formelle Verfahren"
-
"Wissentliches" Verlinken auf "terroristische Inhalte" (der Entwurf bezieht sich nicht auf Gerichtsurteile, sondern lässt diese Einschätzung undefiniert) soll im selben Ausmaß strafbar sein wie "terroristische Inhalte" selbst
-
Schaffung rechtlicher Grundlagen für Klarnamenszwang, um anonyme Nutzung von Online-Diensten zu verhindern
-
Provider sollen haftbar gemacht werden, wenn sie keine "angemessenen" Anstrengungen unternehmen, Überwachungstechnologien einzusetzen, um diese undefinierte "terroristische" Nutzung des Internets zu identifizieren
-
Unternehmen, die Internet-Filter zur Verfügung stellen sowie deren Kunden sollen haften, wenn sie von Filtern festgestellte "illegale" Aktivitäten nicht melden
-
Unternehmen sollten Upload-Filter einsetzen, damit einmal entferne Inhalte (oder ähnliche) nicht erneut hochgeladen werden können
-
Verbot anonymer Nutzung des Netzes und Gebot, dass "soziale Netzwerke nur echte Bilder von Nutzern erlauben" dürfen.
Nach dem ursprünglichen Vorschlag sollten überhaupt keine Gesetze zum Einsatz kommen, womit man die Parlamente generell übergangen hätte. Einer der Hebel, auch ohne Gesetze diese Kontrollideen durchzusetzen ist aber, dass Regierungen die Hilfsbereitschaft der Provider als Kriterium für die Vergabe öffentlicher Verträge verwenden sollen.
Diesen kommerziellen Zugang definiert man auf der Internetseite von Clean IT so: "Der Privatsektor soll die Führung übernehmen". Doch es wird wohl eine Zuckerbrot-und-Peitsche-Strategie gefahren werden. Bei EDRi vermutet man, die Botschaft an die Unternehmen sei: "Benutzt Filter, oder werdet wegen terroristischer Straftaten zur Verantwortung gezogen", so die NGO.
Ausgegangen ist die Initiative übrigens von den Regierungen der Niederlande, Deutschlands, Großbritanniens, Belgiens und Spaniens. Mittlerweile wurde der erlauchte Kreis durch "Unterstützende Regierungen" erweitert. Das sind Ungarn, Rumänien, Dänemark, Griechenland und natürlich Österreich.