Antrag 11 / Saatgut muss Gemeingut bleiben! Keine Patente auf Pflanzen und Tiere!
zur 151. Hauptversammlung der Bundesarbeitskammer am 22. November
Antrag einstimmig angenommen
Die 151. Hauptversammlung der Bundesarbeitskammer möge daher beschließen:
Die Bundesarbeitskammer fordert die Bundesregierung auf, im Rahmen des Menschenrechts auf Nahrung endlich ihre Verpflichtung wahrzunehmen und die Rechte der Bauern und BäuerInnen auf Saatgut zu gewährleisten.
Weiteres muss sie sich auch die "farmers rights" auf freien Zugang, Nutzung, Tausch und Verkauf von Saatgut und den informellen Saatgutmarkt respektieren und in den gesetzlichen Rahmen integrieren bzw. umsetzen.
Neben einem Verbot der Biopatente ist ein Verbot von Patenten auf Pflanzen und Tiere umzusetzen. Im Detail bedeutet dies eine Überarbeitung des Europäischen Patentrechtes und klare Verbote der Patentierung von Züchtungsverfahren, von Züchtungsmaterial, Pflanzen und Tieren und von Lebensmitteln, die aus diesen gewonnen werden, auf europäischer und nationaler Ebene.
Saatgut muss Gemeingut bleiben!
Es darf zu keinem geistigen Eigentumsrechte für Konzerne kommen, vielmehr müssen BürgerInnen und Bundesregierung einen gemeinsamen Kampf für das Recht auf Ernährung führen.
Saatgutnetzwerke sind oft gut organisiert, jedoch wenige Saatgut ErzeugerInnen und TierhalterInnen wissen, dass die Genetikkonzernen emsig daran arbeiten, Kenntnisse und Kontrolle über die Genomdaten unserer Nutztiere zu erlangen. Diese Daten werden mit Lizenzverträgen an Firmen weitergegeben, die dann Patente anmelden:
- auf Gene, auf Zuchtmethoden und – wie der Konzern "Monsanto" – sogar auf Tiere und Zuchtherden.
In der Folge führt die beinahe uneingeschränkte wirtschaftliche Macht der Tierzuchtindustrie zu Monopolstellungen:
z.B. beliefern nur vier Konzerne die Welt mit Zuchtmaterial für Geflügel. Nach der Europäischen Patentrichtlinie (98/44, Art. 8, 2) treffen solche Patente auch auf den Nachwuchs dieser Tiere ("jedes biologische Material") zu.
Es ist unsere Aufgabe, schonungslos aufzuzeigen, wie undemokratisch politische Entscheidungen ablaufen "müssen".
- Im Fall der Patente sind es Verträge zwischen Regierungen, die der Politik fast keinen Handlungsspielraum mehr erlauben
Denn die Mitgliedstaaten der Welthandelsorganisation WTO sind nach dem WTO- Abkommen über handelsbezogene Rechte auf intellektuelles Eigentum (TRIPS, Artikel 27, Abs. 3) verpflichtet, Pflanzensorten patentierbar zu machen.
Das gibt in vielen Ländern den Regierungen die Legitimation, Patente und / oder ein
Sortenschutz-System einzuführen, dass den Interessen ihrer Bevölkerung entgegensteht.
Andere Verträge, etwa der Vertrag über pflanzengenetische Ressourcen (ITPGR) der das bäuerliche Recht festschreibt, Saatgut aus eigener Ernte zu nutzen, nachzubauen, zu tauschen und verkaufen zu dürfen, werden jedoch nicht in nationale Gesetze umgesetzt.
Die Verwendung von hofeigenem Saatgut ist leider auch in Oesterreich nicht mehr die Regel, sondern die Ausnahme. In Oesterreich gibt es zwar (noch) keine Nachbaugebühren, das heißt auch geschützte Sorten dürfen auf eigenem Land wieder ausgesät werden. ("zur eigenen Nutzung"). Schwierig wird es aber, wenn ein Landwirt oder Gärtner Saatgut verkaufen will:
Die österreichische Saatgutverordnung sieht zwar Ausnahmen vor, die in anderen Ländern undenkbar wären, trotzdem ist bei nicht gelisteten (freien) Sorten nur Tausch und nur in Kleinstmengen zulässig. Bei Getreide sind es z.B. 200kg pro Sorte und Jahr, die abgegeben werden dürfen. Das reicht bei Weizen gerade mal für 1 ha Anbaufläche, bei Gemüse ist die Abgabemenge noch viel geringer. In der Praxis wird natürlich oft gegen Geld getauscht, was bisher nicht beanstandet wurde.
Anders ist es, wenn man Saatgut auf "fremden Namen und fremde Rechnung" anbietet, also in einem Geschäft. Das ist unzulässig und es droht eine Verwaltungsstrafe. Möglich wäre es allerdings, das Saatgut dem Laden in Kommission zu übergeben, was einer "erweiterter Form des Tauschhandels auf eigenen Namen und Rechnung" gleichkäme, wichtig ist, dass extra abgerechnet wird. Die Rechtssicherheit ist allerdings geringer, es gibt keine Präzedenzfälle, nichts ist ausjudiziert.
Gelistete Hochzuchtsorten dürfen sowieso nicht weitergegeben werden. (außer minimale Kleinstmengen für nachweislich züchterische Zwecke –"Züchterprivileg")
Seit einigen Jahren gibt es die Möglichkeit, Landsorten als Erhaltungssorten anzumelden (Erhaltungssortenrichtlinie). Dieses "vereinfachte" Zulassungsverfahren ermöglicht zwar, dass Landsorten überhaupt verkauft werden dürfen, aber es limitiert die Verpackungsgröße oder beschränkt den Verkauf auf eine bestimme "Ursprungsregion". So kann es passieren, dass eine ursprünglich in halb Europa vorkommende Sorte, nur mehr dort verkauft werden darf, wo sie angemeldet wurde! Der Landwirt hat außerdem die Pflicht die verkaufte Saatgutmenge jährlich und rechtzeitig an die EU Kommission zu melden und diese kann jährlich die erlaubte Verkaufsmenge neu festlegen.
Wegen Nichteinhaltung dieser unsinnigen Richtlinien (Verkauf von nicht registriertem Saatgut) wurde der französische Verein Kokopelli von der Saatgutfirma Graines Baumaux auf Schadenersatz (unlauterer Wettbewerb) verklagt. Forderung: 50 000.- und Auflösung des Vereins.
Das französische Gericht rief den EuGH an, um feststellen zu lassen ob diese Richtlinien überhaupt EU konform sind. Entgegen dem Plädoyer seiner Generalanwältin entschied der EuGH jedoch, nach Intervention der European Seed Association, der Lobbyorganisation der Saatgutindustrie, dass oberstes Ziel der EU-Landwirtschaft die Steigerung der Produktivität sei, und dass alle anderen Ziele, wie Schutz der Biodiversität "farmers rights... usw.", diesem unterzuordnen wären.
Die Richtlinien wurden also bestätigt. Jetzt ist dieser Verein zum Abschuss freigegeben. Der Kampf ums Saatgut spitzt sich also dramatisch zu, Solidarität und gemeinsame Aktionen sind gefragter denn je.
Das Europäische Patentamt hat seit 1999 etwa 900 Patente auf Tiere und etwa 1800 Patente auf Pflanzen erteilt. Die diesen Entscheidungen zugrundeliegenden Richtlinie „Rechtlicher Schutz Biotechnologischer Erfindungen“ (Dir. 98/44 EC) zielt darauf ab, Erfindungen als geistiges Eigentum zu schützen. Als "Erfindung" wurde für Biotechnologie-Konzerne bisher vor allem die Forschung mit gentechnisch veränderten Organismen gewertet.
In den vergangenen Jahren wurden aber immer häufiger auch Patente auf Pflanzen und Tiere aus konventioneller Zucht angemeldet. Biotechnologie- und Tiergenetikkonzerne entschlüsseln das Genom von Pflanzen und Tieren, identifizieren den genetischen Code für besonders günstige Eigenschaften und erklären die Pflanzen und Tiere über Patente zu ihrem Eigentum. Dies ist eine alarmierende Entwicklung, da die konventionelle Zucht (ohne gentechnische Veränderungen) bisher als nicht patentierbar galt. In vielen Fällen erstrecken sich diese Patente auf die gesamte Kette der Lebensmittelerzeugung.
Die Folgen sind für Bäuerinnen und Bauern, ZüchterInnen, aber auch für uns KonsumentInnen weitreichend:
Beate Koller, Geschäftsführerin der Arche Noah erklärt: „Patente sind der treibende Faktor hinter einer galoppierenden Marktkonzentration im Saatgutsektor. Nachhaltige Entwicklung wird ausgeschaltet, kleine und mittelständische Züchter werden verdrängt. Zudem behindern Patente Innovationen, weil es anderen Züchtern nicht erlaubt ist, mit den patentierten Pflanzen und Tieren weiter zu züchten.“
Negative Auswirkungen auf die agrarische Vielfalt stellt Michael Kerschbaumer vom Forum kritischer TierhalterInnen fest: „Patente auf Leben bringen Bäuerinnen und Bauern immer mehr in Abhängigkeit von Saatgut- und Genetikkonzernen. BäuerInnen müssen nicht nur höhere Preise zahlen, es gibt auch immer weniger Sorten und Arten, die von einer Handvoll von Konzernen angeboten werden.“ Dies führe auch zu weniger Auswahl für die VerbraucherInnen.
Im Vorfeld auf den Welternährungstag vom 16. Oktober erläutert Gertrude Klaffenböck von FIAN die desaströsen Konsequenzen für das Recht auf Nahrung:
- „Lizenzgebühren, die nach der Erteilung von Patenten verlangt werden können, sind eine beträchtliche finanzielle Belastung für Kleinbauern und –bäuerinnen, insbesondere in Entwicklungs- und Schwellenländern.Daneben bedeuten Patente auch ein exklusives Nutzungsrecht für den
- Patentinhaber. Einem freien Zugang und der nachhaltigen Verfügbarkeit von Saatgut und Biodiversität wird damit auf viele Jahre der Weg versperrt.
- Anstatt die Rechte von Bauern und Bäuerinnen an Saatgut und Züchtungen zu respektieren, werden Nutzungsrechte an Dritte übertragen und KleinbäuerInnen davon ausgeschlossen.
- Armut und Hunger werden so vorangetrieben und das Menschenrecht auf Nahrung verletzt.“