Antrag 2 / Demokratie im Betrieb
der AUGE/UG, Alternative und Grüne GewerkschafterInnen/Unabhängige GewerkschafterInnen
zum Bundesforum 2105 der GPA-djp von 10. - 12. November 2015
Demokratie im Betrieb
Die GPA-djp fordert:
- Arbeitsverträge sind generell in schriftlicher Form auszufertigen.
- Begutachtung der Arbeitsverträge vor Abschluss bzw. Unterzeichnung von der betrieblichen Interessensvertretung (Betriebsrat), wo keiner vorhanden, von der gesetzlichen bzw. freiwilligen Interessensvertretung (AK bzw. ÖGB).
- Rechtsanspruch bei allen relevanten Änderungen des Arbeitsvertrages auf eine Erörterung unter Beiziehung eines/r VertreterIn der betrieblichen, freiwilligen oder gesetzlichen Interessensvertretung.
- Recht auf Information, freie Meinungsäußerung und Stellungnahme zu betrieblichen Bedingungen wie Arbeitsorganisation, Arbeitsabläufen und Arbeitsplatzgestaltung.
- Keine Disziplinarmaßnahmen bei der Wahrnehmung dieser demokratischen Grundrechte und keine negativen Sanktionen. Bei kritischer, freier Meinungsäußerung tritt ein befristeter (“Abkühlungsphase”) Kündigungsschutz in Kraft.
- Das arbeitsverfassungsmäßig garantierte Recht der ArbeitnehmerInnen, wesentliche Entscheidungen, die ihren Arbeitsplatz bzw. ihre Tätigkeit betreffen, mit ihren Vorgesetzten und auf nächsthöherer Ebene erörtern zu können.
- Aufwertung der Betriebsversammlungen als demokratisches Mitbestimmungsorgan (Informations- und Anhörungspflicht im Zusammenhang mit Betriebsvereinbarungen, Betriebsumgründungen etc.).
- Verpflichtung zu regelmäßigen MitarbeiterInnen- und Zielvereinbarungsgesprächen soll in den Katalog der erzwingbaren Betriebsvereinbarungen aufgenommen werden. Für Betriebe ohne Betriebsrat ist eine entsprechende gesetzliche Regelung zu treffen.
- Vetorecht für BetriebsrätInnen bei Arbeitgebermaßnahmen, zu denen es kein Einvernehmen gibt (etwa bei Ausgliederungen, Betriebsverlagerungen, Umstrukturierungen, Betriebsübernahmen).
- Stärkere Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats bei wesentlichen, die ArbeitnehmerInnen betreffenden Angelegenheiten wie Investitionen, Verwendung von Gewinnen, Inhalt von und Zugang zu innerbetrieblichen Qualifikationsprogrammen: Im Arbeitsverfassungsrecht ist zu verankern, dass Unternehmensziele für das nächste Geschäftsjahr mit dem Betriebsrat zwingend zu beraten sind.
- Ausweitung der Stimmrechte der Betriebsräte bei der Wahl der Unternehmensleitungen (Vorstände bzw. Geschäftsführungen) sowie des/der Aufsichtsratsvorsitzenden sowie seines/r bzw. ihrer/ihresVertreters/in im Rahmen der betriebsrätlichen Mitwirkung im Aufsichtsrat. BR-Mitglieder im Aufsichtsrat sind auch in diesen Belangen den EigentümervertreterInnen vollkommen gleichzustellen. Einspruchsrecht der BetriebsrätInnen bei der Bestellung des Managements eingeräumt werden.
- Erweiterung des Katalogs zustimmungspflichtiger und erzwingbarer Maßnahmen (z.B. Betriebsvereinbarungen zum verpflichtenden Mitbestimmungsinstrument Soziales Audit bei Betriebsumstrukturierungen, Frauenfördermaßnahmen als erzwingbare Betriebsvereinbarung, Leiharbeit als zustimmungspflichtige Betriebsvereinbarung). Insbesondere muss auch die betriebsrätliche Mitbestimmung bei Leistungslöhnen und Zielvereinbarungen vollständig wiederhergestellt werden und in den Katalog erzwingbarer/zustimmungspflichtiger Betriebsvereinbarungen übernommen werden.
- Recht des Betriebsrats und der Gewerkschaften, bei Gefährdung des Bestands des Betriebs eine staatlich überwachte Restrukturierung zu verlangen.
- Im Rahmen von Insolvenzverfahren/drohender Betriebsschließung mangels Erben/Eigentümers kann der Betriebsrat und die Gewerkschaften das Recht beantragen die „Weiterführung in Arbeiterselbstverwaltung“ zu übernehmen. Dieser Antrag hat aufschiebende Wirkung auf die Insolvenz und ist bevorzugt zu behandeln. Innerhalb dieses Zeitraums sollen Möglichkeiten der Fortführung des Betriebs in Selbstverwaltung, Sanierungskonzepte sowie mögliche öffentliche Unterstützung überprüft werden, um den Weiterbestand des Betriebes und der Beschäftigungsverhältnisse sicherzustellen
- Senkung der Grenzen, ab denen ein/e Betriebsrat/rätin freigestellt ist. Bildungsfreistellung für Ersatz-BetriebsrätInnen
- Sanktionsmechanismus bei Missbrauch von Überstundenleistungen, Überstundenanordnungen.
- Härtere Strafen für Unternehmen, die Betriebsratsgründungen verhindern oder Betriebsratsrechte beschneiden (schnellere Verfahren beim Arbeits- und Sozialgericht, Schadenersatzpflicht der Arbeitgeber bei Verletzung der Informationspflichten, Unwirksamkeit bzw. Rückabwicklung von Unternehmensentscheidungen, wenn die Belegschaftsvertretung nicht ordnungsgemäß eingebunden war, drastische Erhöhung der Geldstrafen, wenn ArbeitgeberInnen ihrer Informationspflicht gegenüber BetriebsrätInnen nicht nachkommen).
- Organisatorische Erleichterung von Betriebsratswahlen in Kleinbetrieben
- Kündigungsschutz/Benachteiligungsverbot bei Betriebsratsgründungen und für BetriebsrätInnen erweitern: Für alle, die sich aktiv an der Gründung eines Betriebsrats beteiligen, ist ein besserer Kündigungsschutz zu gewährleisten. Der Kündigungsschutz/das Benachteiligungsverbot ist auf Ersatzmitglieder des Betriebsrates auszuweiten und für ehemalige BetriebsrätInnen/PersonalvertreterInnen zu verbessern.
- Gewerkschaften müssen das bedingungslose Zutrittsrecht zu Betrieben zur Anbahnung und Abwicklung von Betriebsratswahlen und/oder Betriebsversammlungen bekommen
- Informations-/Vertretungsrecht der Betriebsräte für alle abhängig Beschäftigten, die im Betrieb tätig sind, unabhängig von der Art ihres Arbeitsvertrages
Neben Arbeitszeitverkürzung ist die Forderung nach mehr Demokratie in Betrieb und Wirtschaft eine der Wesentlichsten und Bestimmensten der Gewerkschaftsbewegung. ArbeiterInnen spielten in der Auseinandersetzung für Demokratie schon eine wesentliche Rolle, als gewerkschaftliche Vereinigungen noch offiziell verboten waren und Bestrebungen danach kriminalisiert wurden. Mit der offiziellen Gründung von Gewerkschaften trugen diese einen wesentlich Beitrag zur Demokratisierung der Gesellschaft bei.
Die Rätebewegung in Wien der 10er/20er Jahre des 20. Jahrhundert, die Arbeiter(Innen)räte ebneten den Weg zu einem - in der damaligen Zeit - einmaligen Gesetz: dem Betriebsrätegesetz von 1921. Und es waren maßgeblich die Gewerkschaften, die das Arbeitsverfassungsgesetz schuffen und damit – im Vergleich zu den meisten anderen Ländern dieser Welt – eine weitreichende Mitbestimmung der ArbeitnehmerInnen ermöglichten.
Bei der GPA-djp BetriebsrätInnen-Konferenz am 15. Juni 2015 argumentierte Jörg Flecker für die Arbeitszeitverkürzung: “Wenn man sich die politischen Entwicklungen in Europa anschaut, wenn wir sehen, dass hier nebenan, in Ungarn, eine de facto autoritäre Regierung im Amt ist. Dass wir in Russland autoritäre Entwicklungen haben, wenn bei uns auf der Straße in Wien Rechtsextreme marschieren, unter dem Namen "Identitäre". Dann sieht man, wie wichtig politisches Engagement heute und in Zukunft sein wird. Und wenn man andererseits sieht, dass in Europa Kollektivvertragssysteme de facto abgeschafft werden, von Troika oder Institutionen, wie es heute heißt, in den sogenannten Krisenländern und das aber ausgerollt wird auf alle Mitgliedsstaaten im Rahmen der europäischen Wirtschaftsregierung, dann sehen wir etwa, was da auf uns in der Zukunft zu kommt und wo es hier politisches Engagement, zivilpolitisches Engagement noch stärker brauchen wird.”
Es besteht - wie gezeigt - selbst beim Thema Arbeitszeitverkürzung ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen den Sphären “Arbeit” und “Gesellschaftspolitik” bzw. Demokratie. Umso mehr natürlich innerhalb der Sphäre “Arbeit” selbst. Betriebe sind vielfach nach wie vor Zonen autoritärer Herrschaft, mit EigentümerInnen, ManagerInnen und GeschäftsführerInnen, die sich vielfach als Miniaturausgaben feudaler Herrscher gebärden. ArbeitnehmerInnen verbringen einen großen Teil des Lebens in einer autoritär organisierten Arbeits- und Wirtschaftswelt und das hat natürlich auch Auswirkungen auf die Gesellschaftspolitik. Christoph Butterwege, Politwissenschaftler, beschreibt zum Beispiel eindringlich, wie durch den neuen Standortnationalismus, die Entpolitisierung der Gesellschaft vorangetrieben wird und wie das auf eine Entdemokratisierung der Gesellschaft hinausläuft. Sein wahres Gesicht als autoritärer Kapitalismus hat der Neoliberalismus bei der Debatte um Hilfsgelder für Griechenland gezeigt. Ganz offen schon die Forderungen in diversen Pressekolumnen nach Suspendierung der Demokratie (Ortner). Ein Generalangriff auf Demokratie, Mitbestimmung – konkret auf lang erkämpfte Arbeitsrechte, Kollektivverträge, findet statt und es ist nicht abzusehen, dass dieser Angriff in naher Zukunft gestoppt wird.
Weil Demokratie im Betrieb und Wirtschaft wesentlich für die Vollendung der Demokratisierung der Gesellschaft sind. Weil die, die Waren und Dienstleistungen produzieren, auch mitbestimmen müssen und es dabei nicht nur um den von ArbeitnehmerInnen erschaffenen wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens geht - sondern auch (siehe Arbeitszeitdebatte!) um die Selbstbestimmung über Freizeit, Lebenszeit, ja, um das Leben an sich!
Beantragt und eingebracht von: Stefan Steindl
Mitgliedsnummer: 230507037