Antrag 12 / Gleiche Rechte für alle ArbeitnehmerInnen
der AUGE/UG - Alternative und Grüne GewerkschafterInnen/Unabhängige GewerkschafterInnen
zur 158. Hauptversammlung der Bundesarbeitskammer am 27. November 2015
Die 158. Hauptversammlung der Bundesarbeitskammer möge daher beschließen:
Die Bundesarbeitskammer fordert daher folgende Maßnahmen und gesetzliche Verbesserungen:
1. Wer rechtmäßig in Österreich lebt, soll Zugang zum Arbeitsmarkt haben
Mit Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung für Österreich muss automatisch ein uneingeschränkter Zugang zum Arbeitsmarkt einhergehen;
sofortige Aufhebung des Bartenstein-Erlasses;
uneingeschränkter Arbeitsmarktzugang für AsylwerberInnen nach längstens 3 Monaten Wartezeit;
Ziel muss es sein, unabhängig vom Aufenthaltsstatus menschenwürdige Beschäftigungsformen herzustellen.
2. Erleichterung der Nachweisbarkeit von Arbeitsverhältnissen – Beweislastumkehr
Um den Nachweis über ein bestehendes Dienstverhältnis erbringen zu können, benötigen ArbeitnehmerInnen in Ermangelung schriftlicher Dienstverträge und ordnungsgemäßer Lohnunterlagen u.a. handschriftliche Arbeitszeitaufzeichnungen, Informationen über das betreffende Unternehmen bzw. den/die ArbeitgeberIn, Beweise, wie etwa Fotos, SMS mit Dienstanweisungen und Namen von ZeugInnen. Für undokumentierte KollegInnen ist es oftmals wesentlich schwieriger, diese Beweismittel beizuschaffen, da sie auf Grund ihrer hohen Ausbeutbarkeit und besonderen Erpressbarkeit zusätzlich unter Druck stehen.
Die Kammer für ArbeiterInnen und Angestellte für Wien fordert daher analog zum Anti-Diskrimierungs- und Kündigungsanfechtungsrecht eine Beweislastumkehr: Sofern ArbeitnehmerInnen glaubhaft machen können, dass sie bei einem/r bestimmten ArbeitgeberIn gearbeitet haben, muss dieseR ArbeitgeberIn das Gegenteil beweisen, andernfalls gilt das Dienstverhältnis als angenommen.
3. Gleichstellung von arbeitsrechtliche Verfallsfristen – Ausdehnung der Verfallsfrist für arbeitsrechtliche Ansprüche auf drei Jahre
In vielen Branchen, in denen undokumentiert gearbeitet wird, gibt es sehr kurze Verfallsfristen. Häufig verfallen arbeitsrechtliche Ansprüche bereits nach drei Monaten und bevor Betroffene diese geltend machen können. Insbesondere während eines aufrechten Dienstverhältnisses ist die Geltendmachung offener Ansprüche oft nicht zumutbar und mit hohen Risiken gerade für undokmentiert Arbeitende verbunden. Kurze Verfallsfristen betreffen ArbeitnehmerInnen unabhängig davon, ob sie mit oder ohne Papieren arbeiten. Kurze Verfallsfristen stellen ein großes Problem dar, da die Beschäftigten dadurch viel Geld verlieren.
Die Kammer für ArbeiterInnen und Angestellte für Wien fordert daher die Abschaffung von Verfallsfristen von unter drei Jahren. Darüber hinaus soll die Frist frühestens nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu laufen beginnen.
4. Gesicherter Aufenthalt während arbeitsrechtlichen Verfahren
Um arbeits- und sozialrechtliche Ansprüche geltend machen zu können, müssen undokumentiert Arbeitende eine persönliche Aussage bei der zuständigen Gebietskrankenkasse (Niederschrift) oder bei Gericht machen. Aufgrund der besonderen Erpressbarkeit der ArbeitnehmerInnen angesichts ihrer aufenthaltsrechtlich unsicheren Situation, stellt dies jedoch für viele undokumentierten ArbeitnehmerInnen eine immense Hürde dar.
Die Kammer für ArbeiterInnen und Angestellte für Wien fordert daher zumindest für die Dauer eines arbeits- und/oder sozialrechtlichen Verfahrens einen Aufenthaltstitel für die Betroffenen und deren Angehörige. Dies ist auch notwendig, um der EU-Sanktionenrichtlinie gerecht zu werden, wonach Drittstaatsangehörige, die von ArbeitgeberInnen ausgebeutet werden, die Möglichkeit erhalten müssen, ihre arbeitsrechtlichen Ansprüche einfordern zu können.
5. Umsetzung des Rechts auf Parteienstellung für ArbeitnehmerInnen, für die eine Beschäftigungsbewilligung beantragt wird
EinE ArbeitnehmerIn, deren ArbeitgeberIn einen Antrag auf Beschäftigungsbewilligung für ihn/sie stellen muss, hat laut Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) keine Parteienstellung im Verfahren um Ausstellung der Beschäftigungsbewilligung. Die UNDOK-Beratungspraxis zeigt, dass dies immer wieder zu Problemen führt: ArbeitnehmerInnen arbeiten undokumentiert, ohne es zu wissen, oder in Extremfällen sogar aufgrund Vorspiegelung falscher Tatsachen wodurch ArbeitnehmerInnen davon ausgehen, dass eine Beschäftigungsbewilligung erteilt wurde.
Die Kammer für ArbeiterInnen und Angestellte für Wien fordert daher die Umsetzung des Rechts auf Parteienstellung gemäß der Judikatur des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR).
6. Abschaffung der Bestrafung von undokumentiert Arbeitenden bei Nichteinhaltung von gesetzlichen Pflichten der ArbeitgeberInnen
Das AMS erteilt keine Beschäftigungsbewilligung für ArbeitnehmerInnen, die durch Nicht-Einholung einer solchen durch frühere ArbeitgeberInnen mehrfach undokumentiert gearbeitet haben. So etwa im Falle mehrmaliger An- und Abmeldung bei der Gebietskrankenkasse, wenn die ArbeitgeberInnen keine Beschäftigungsbewilligung für den/die ArbeitnehmerIn beantragt haben. In aller Regel wissen die betroffenen ArbeitnehmerInnen selbst darüber nicht Bescheid.
Es ist dringend erforderlich, diesen Missstand zu beheben. ArbeitnehmerInnen dürfen nicht für die Nichteinhaltung von gesetzlichen Pflichten ihrer ArbeitgeberInnen bestraft werden.
Beim 13. EGB-Kongress im September 2015 gab es große Einigkeit unter den europäischen GewerkschafterInnen, dass eine möglichst rasche Integration am Arbeitsmarkt eine der wichtigsten Maßnahmen zur Integration von MigrantInnen ist und dass nur vollkommen rechtliche Gleichstellung Lohn- und Sozialdumping verhindern kann.
In Österreich gibt es zum aktuellen Zeitpunkt 28 verschiedene Aufenthaltsberechtigungen, die in den meisten Fällen mit einem beschränkten oder keinem Arbeitsmarktzugang verbunden sind. Die Diskriminierung beim Zugang zum Arbeitsmarkt führt zur Überausbeutung von undokumentierten ArbeitnehmerInnen und in Folge auch zu einer Schwächung der Position aller ArbeitnehmerInnen. Sie ist einer der wesentlichen Gründe für die Ausweitung von Scheinselbstständigkeit und die Ungleichbehandlung von MigrantInnen in der Arbeitswelt.
Wie der Tätigkeitsbericht der Anlaufstelle zur gewerkschaftlichen Unterstützung undokumentiert Arbeitender (UNDOK) zeigt, werden undokumentierte ArbeitnehmerInnen von ArbeitgeberInnen um den Lohn betrogen, es werden keine kollektivvertraglichen Mindestlöhne bezahlt, sie müssen exzessive Arbeitszeiten in Kauf nehmen, ArbeitgeberInnen halten weder Arbeitszeit- noch ArbeitnehmerInnenschutzstandards ein, es kommt zu sexuellen und körperlichen Übergriffen. Unternehmen und ArbeitgeberInnen betreiben Lohn- und Sozialdumping, indem sie Kollektivverträge unterwandern und das Sozialsystem sukzessive aushöhlen.
Die Beratungspraxis der Anlaufstelle zur gewerkschaftlichen Unterstützung undokumentiert Arbeitender (UNDOK) zeigt, dass es vor allem eine umfassende gesetzliche und organisatorische Vereinfachung braucht.