Antrag 1/2010 - Kassenfinanzierte Psychotherapie.
An die 3. Vollversammlung vom 29.4.2010 der Steirischen Kammer für Arbeiter und Angestellte
Jede/r vierte ÖsterreicherIn hat das Risiko, zumindest einmal in ihrem/seinem Leben an einer psychischen Störung zu erkranken oder an einem massiven psychischen Problem zu leiden.
Psychische Erkrankungen nehmen deutlich zu und sind die Hauptgründe für längeren Krankenstand bzw. Invaliditätspension. Der volkswirtschaftliche Schaden dieser Entwicklung übertrifft die Kosten für die erforderliche Psychotherapie um ein Vielfaches. Seit den 1990er Jahren hat sich die Zahl der Krankenstände wegen psychischer Probleme verdoppelt. Psychische Erkrankungen sind mittlerweile – laut WIFO Report – bei den österreichischen Männern die zweithäufigste und bei Frauen die häufigste Ursache für Invaliditätspensionen (geschätzte Kosten: 2,8 Mrd. Euro).
Der gesetzliche Auftrag nach kassenfinanzierter Psychotherapie aus dem Jahr 1992 wurde bis heute nicht umgesetzt. Der Hauptverband der Sozialversicherungsträger stimmte im Jahr 2000 gegen einen fertigen Gesamtvertrag und hat seither keine weitere Gesamtvertragsverhandlung zugelassen.
Die seither durch „Versorgungsvereine“ bereitgestellten Sachleistungskontingente für Psychotherapie decken nur einen Bruchteil des wirklichen Bedarfes ab und führen zu einer ASVG-widrigen Ungleichbehandlung der Sozialversicherten.
Eine Erhöhung des Psychotherapiekontingents würde jedoch vor allem dazu führen, dass einkommensschwächere Bevölkerungsschichten die Möglichkeit zu einer psychotherapeutischen Versorgung bekommen und daher eine der schlimmsten sozialen Schieflagen in unserem Gesundheitswesen beseitigt werden könnte. Psychische Erkrankungen kommen in einkommensschwachen Schichten überproportional häufig vor, daher ist es zynisch, wenn unser Gesundheitssystem gerade diesen Schichten eine wichtige Leistung verweigert.
Das Argument, Psychotherapie sei eine Art „Luxustherapie“ und für die Behandlung der meisten psychischen Erkrankungen höchstens eine Zusatzbehandlung zur medikamentösen Behandlung, kann durch neurobiologische Forschungen, welche die Wirksamkeit von Psychotherapie eindeutig nachweisen, entkräftet werden. Der Versorgungsgrad mit Psychotherapie liegt in Österreich bei 0,5 Prozent der Bevölkerung. Der Bedarf liegt laut Studien bei 2,1 – 5 Prozent.
Antrag
Die Vollversammlung der Steirischen Kammer für Arbeiter und Angestellte fordert die Verantwortlichen auf, dafür Sorge zu tragen, dass die psychotherapeutische Versorgung grundsätzlich verbessert wird und Gesamtvertragsverhandlungen wieder aufgenommen werden.
Weiters soll bis zum Zustandekommen eines Gesamtvertrages der Psychotherapie-Zuschuss aus dem Jahr 1992 (EUR 21,80) für alle Versicherten auf EUR 40,00 erhöht werden.