Resolution 1 - Zusammenfassende Forderungen an die Bundesregierung
an die 14. Vollversammlung vom 30.01.2014 der Steirischen Kammer für Arbeiter und Angestellte
Entgegen vielfach anders lautender Schlagzeilen hat die sog. Krise Österreich noch im Griff.
Insbesondere die Arbeitslosigkeit hat neue Rekordwerte erreicht. Die neue Bundesregierung ist aufgefordert, sowohl in Österreich, als auch auf europäischer Ebene einen Kurswechsel in der Wirtschaftspolitik herbeizuführen: Weg von der Sparpolitik hin zu einer ökologisch und sozial nachhaltigen Sozialpolitik. Der Sozialstaat ist zu stärken, zentrale Krisenursachen wie Ungleichverteilung und Unterregulierung der Finanzmärkte, sind zu beheben und ArbeitnehmerInnenrechte sowie wirtschaftsdemokratische Elemente aus- statt abzubauen.
Die Vollversammlung der Steirischen Kammer für Arbeiter und Angestellte fordert die Bundesregierung auf, in der kommenden Legislaturperiode zu folgenden Punkten lösungsorientierte Maßnahmen zu entwickeln, da Einzelpunkte schon vielfach gefordert wurden, die Gesamtschau aber deutlich macht, welche Maßnahmen immer noch einer Regelung bedürfen:
Arbeit und soziale Sicherheit
- Genereller Wegfall der Anrechnung des PartnerInneneinkommens bei der Notstandshilfe
- Anhebung der bedarfsorientierten Mindestsicherung (Maßstab ist EU-SILC)
- Einrichtung einer unabhängigen und weisungsungebundenen Arbeitslosen- und Sozialanwaltschaft
- Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns (mindestens 8,70 Euro/Stunde, 1.500 Euro/Monat)
- Neue Wege in der aktiven und passiven Arbeitsmarktpolitik, die Arbeitslosigkeit als Strukturproblem begreifen und den Betroffen individuell optimale Angebote stellen, statt die Zumutbarkeitsbestimmungen zu verschärfen
Verteilungsgerechtigkeit
- Einführung einer allgemeinen Vermögenssteuer
- Wiedereinführung einer reformierten Erbschafts- und Schenkungssteuer
- Abschaffung der Steuerprivilegien von Privatstiftungen
- Reform der Grundsteuer im Sinne einer realistischeren Erfassung und Besteuerung von Immobilienwerten und Schonung kleiner und mittlerer Immobilien
- Steuerliche Entlastung der Lohneinkommen über Senkung des Einstiegssteuersatzes
- Anhebung des Spitzensteuersatzes auf 55 % bei Einkommen über 140.000 Euro/Jahr.
Gesundheit und Pflege
- Nachhaltige finanzielle und strukturelle Absicherung des öffentlichen Gesundheitssystems
- Verbesserung der Einkommens- und Arbeitsbedingungen im Pflege- und Gesundheitswesen
- Aktive Armutsbekämpfung durch Existenz sichernde Transferleistungen
- Deutliche Aufstockung des Pflegefonds aus Mitteln einer Erbschafts- und Schenkungssteuer zur ausreichenden Finanzierung arbeits- und sozialrechtlich abgesicherter und dem gesellschaftlichen Wert der Arbeit entsprechend bezahlter Arbeitsverhältnisse über professionelle Vereine
Wirtschaft und Umwelt
- Sicherung öffentlichen Eigentums – keine weiteren Privatisierungen!
- Neuausrichtung der ÖIAG von einer Privatisierungs- in eine strategische Beteiligungsgesellschaft
- Verabschiedung eines Bankeninsolvenzrechts unter Beteiligung von EigentümerInnen und Gläubigern in Bankenrettungsmaßnahmen
- ökologische und soziale Wohnbau- und Sanierungsoffensive, Zweckwidmung der Mittel für Wohnbauförderung
- Investitionen in öffentliche Verkehrsnetze – insbesondere in den Personennahverkehr, Lückenschluss und entsprechende Anbindung des ländlichen Raums an öffentliche Verkehrsinfrastruktur
- Reform des Vergabewesens – öffentliche Aufträge sind an hohe betriebliche Sozial-, Umwelt- und Gleichstellungsstandards zu koppeln
Europäische Union
- Verstärkter Einsatz für die Umsetzung der Finanztransaktionssteuer im Rahmen der erweiterten Zusammenarbeit sowie für Finanzmarktregulierungen auf EU-Ebene
- Verstärkter Einsatz im Kampf gegen Steueroasen, Steuerhinterziehung und für gemeinsame Mindeststandards bei der Unternehmensbesteuerung um Steuerdumping zu vermeiden
- Einsatz für ein EU-weites Konjunkturprogramm in erneuerbare Energien, soziale Dienste und den sozial-ökologischen Umbau unseres Industriesystems
Arbeitswelt und Mitbestimmung
- Arbeitsinspektorate aufwerten, Verbandsklagen ermöglichen
- Erarbeitung eines modernen Arbeitsrechts, das sich an realen Lebensentwürfen und Bedürfnissen orientiert – insbesondere unter Einbeziehung „atypischer“ Beschäftigungsformen
- Rechtsansprüche auf individuelle Auszeiten (Sabbaticals, Bildungskarenzen, Pflegekarenz …) sowie auf Teilzeit mit Rückkehrrecht auf Vollzeit
- Arbeitszeitverkürzung (Verkürzung der gesetzlichen Wochenarbeitszeit, progressiv steigende Beiträge zur Arbeitslosen- und Krankenversicherung bei Überstunden etc.)
- Reform der Arbeitsverfassung: Stärkung betriebsrätlicher Mitbestimmungsrechte bei Ausgliederungen, Umstrukturierungen, bei Gewinnverwendung und Investitionen (Vetorecht).
Gleichstellung
- Offensive Frauenpolitik – öffentliche Aufträge nur an Unternehmen die aktiv Frauenförderung und Gleichstellungspolitik betreiben. Nutzung der gesetzlichen Mittel und der Förderinstrumente zum Schließen der Einkommensschere zwischen Männern und Frauen
- Einkommensberichte auch für ausgegliederte Einrichtungen des öffentlichen Dienstes sowie für Unternehmen ab 50 MitarbeiterInnen
- Aktive Frauenförderung (z.B. verpflichtende Quoten) zum Durchstoßen der gläsernen Decke in Wirtschaft, Politik und im Betrieb
- Förderung von Führung in Teilzeit
Familienpolitik
- Umsetzung eines einfachen Karenzgeldmodells, das sich insbesondere am Einkommen orientiert (einkommensabhängig, mindestens Mindestsicherung) und die partnerschaftliche Aufteilung fördert
- Ausbau von sozialer Infrastruktur und Kinderbetreuungs-/-bildungseinrichtungen statt der steuerlichen Absetzbarkeit und weiterem Ausbau von familienbezogenen Transferleistungen
Integration
- Zusammenlegen von Aufenthaltserlaubnis und Zugang zum Arbeitsmarkt
- Gleichberechtigter Zugang von MigrantInnen zu sozialen und familienpolitischen Leistungen (sozialer Wohnbau, Familienbeihilfe, etc.)
- Einführung eines humanitären Bleiberechts mit allgemeingültigen, nachvollziehbaren Kriterien
- Öffnung des Arbeitsmarktzugangs für AsylwerberInnen
- Offensive zu „Integration durch Bildung – Bildung durch Integration“
Chancengerechtigkeit für Menschen mit Behinderung
- Sicherstellung von barrierefreien Arbeitsplätzen
- Schaffung bundeseinheitlicher Regelungen hinsichtlich persönlicher Assistenz in allen Lebensbereichen
Für die Fraktion der AUGE/UG
Ilse Löwe-Vogl
Fraktionsvorsitzende
23. Jänner 2014