Resolution 02 / EU-Richtlinie über Dienstleistungen im Binnenmarkt (Bolkestein-Richtlinie)
Resolution 2 der AUGE/UG - Alternative und Grüne GewerkschafterInnen/Unabhängige GewerkschafterInnen zur 141. Vollversammlung der AK-Wien am 12. November 2004
Resolution zugewiesen (Auschuss EU/Internationales, Ausschuss Sozialpolitik)
BDFA, GLB: Ja
FA: Nein
FSG, ÖAAB, FA, GA, BM: für Zuweisung
Auf Grund des horizontalen Ansatzes und der nicht abschätzbaren Folgen für öffentliche und soziale Dienstleistungen und deren Beitrag zum gesellschaftlichen Zusammenhalt sowie der Auswirkungen bisheriger Liberalisierungen fordert die Arbeiterkammer daher:
- Die konsequente Ablehnung dieses Richtlinien-Vorschlags zum jetzigen und auch zu späteren Zeitpunkten;
- Die Ablehnung des Herkunftslandprinzips unter den jetzigen Voraussetzungen;
- Einen Sonderstatus für öffentliche und soziale Dienstleistungen im Europäischen Binnenmarkt unter der Prämisse der Transparenz und Nichtdiskriminierung.
Zur Zeit wird der „Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Dienstleitungen im Binnenmarkt“, die so genannte Bolkestein-Richtlinie, in einer Ratsarbeitsgruppe diskutiert, am 11.11.2004 erfolgte die erste Anhörung im Europäischen Parlament.
Mit dieser Richtlinie soll ein Rechtsrahmen für alle Dienstleistungstätigkeiten im Europäischen Binnenmarkt geschaffen werden. Die Dienstleistungsdefinition dieser Richtlinie schließt alle „selbstständigen wirtschaftlichen Dienstleistungen, die in der Regel gegen Entgelt erbracht werden, ohne dass die Dienstleistung von demjenigen bezahlt werden muss, dem sie zugute kommt“ ein. „Folglich ist eine Dienstleistung jegliche Leistung, mit der der Erbringer am Wirtschaftsleben teilnimmt, ungeachtet seines rechtlichen Status, des Tätigkeitszwecks und des betreffenden Tätigkeitsbereichs.“ Das heißt, auch für EndverbraucherInnen unentgeltliche Dienstleistungen werden eingeschlossen, sofern ein anderer - in der Regel die öffentliche Hand - eine wirtschaftliche Gegenleistung für die Erbringung leistet. Dies trifft auf die meisten öffentlichen und sozialen Dienstleistungen zu. Mit der Richtlinie werden somit auch diese den Regeln des Binnenmarktes und dem europäischen Wettbewerbsrecht unterworfen.
Um den „wirklichen Binnenmarkt für Dienstleistungen“ zu schaffen, wird mit wenigen Ausnahmen das Herkunftslandprinzip als Instrument vorgeschlagen. Dadurch unterliegen Erbringer von Dienstleistungen den Regulierungen (z.B. Umweltschutz, VerbraucherInnenschutz, ...) im Herkunftsland und nicht im Erbringerland. Eine Ausnahme ist die Entsendung von Arbeitskräften. Hier gilt die Entsenderichtlinie der Europäischen Union, allerdings wird die Kontrolle bzw. Sanktionierung der Einhaltung (z.B. arbeitsrechtlicher Normen) nach dem Herkunftslandprinzip geregelt.
Damit ist der Inhalt dieses Vorschlags eine erhebliche Änderung der bisherigen Rechtslage. Er greift in viele Bereiche und Sparten ein und ist ein weitreichender Schritt zur Liberalisierung öffentlicher und sozialer Dienstleistungen. Auch die Unterscheidung zwischen prioritären und nichtprioritären (z.B. Gesundheits- u. Sozialwesen) Dienstleistungen nach dem österreichischen Bundesvergabegesetz wird nicht getroffen. Damit ist die Forderung nach einer Herausnahme und eigener Regelung von nichtprioritären Dienstleistungen bezogen auf das österreichische Bundesvergabegesetz (Beschluss der 139. AK-Vollversammlung) vermutlich nicht möglich.
Auch wenn zum jetzigen Zeitpunkt die Richtlinie gerade diskutiert und überarbeitet wird, ist die Grundtendenz klar: ein Abgehen vom sektoralen Ansatz in den Liberalsierungsvorhaben der Europäischen Kommission. Damit wird der sozial- und gesellschaftspolitische Gestaltungsspielraum massiv eingeschränkt.