Antrag 6 / Bankenrettungspaket ist unzulänglich – dringender Reformbedarf und Systemwechsel im Sinne der SteuerzahlerInnen und ArbeitnehmerInnen gegeben!
der AUGE/UG Alternative und Grüne GewekschafterInnen/Unabhängige GewekschafterInnen
zur 149. Vollversammlung der Arbeiterkammer Wien am 12.November 2008
Antrag zugewiesen (Ausschuss Finanzpolitik)
BDFA, GLB: Ja
FSG, FA, GA, BM: für Zuweisung
ÖAAB: Nein
Die Vollversammlung der Arbeiterkammer fordert daher:
1. Volle Transparenz
Das Bundesministerium für Finanzen, die Finanzmarktaufsicht sowie die Österreichische Nationalbank werden aufgefordert, gegenüber dem Nationalrat – und damit der Öffentlichkeit - einen umfassenden, vollständigen Bericht über den Zustand und die Lage des österreichischen Bankenwesens vorzulegen.
2. Staatliche Clearing-Stelle statt Bankenbeteiligung
Die staatlichen Garantien für Kredite zwischen den Banken im Umfang von bis zu 75 Mrd. Euro müssen wie etwa in Deutschland oder in Frankreich von einer staatlichen Stelle vergeben werden. Das derzeitige Konstrukt erschwert harte Auflagen zur Geschäfts-, Dividendenpolitik, Transparenz, Verpflichtung zur Kreditversorgung von KMUs und privaten Haushalten. Staatliche Liquiditätsgarantien sind an ein entsprechend hohes Eigenkapital begünstigter Banken zu binden.
3. Spezielle Kontrolle der Clearingstelle durch den Rechnungshof
Der Rechnungshof hat für die Clearingstelle vollkommene Prüfungsmöglichkeiten zu erhalten. Bei Tätigwerden des Bundes aufgrund des Interbankmarktstärkungsgesetzes und/oder des Finanzmarktstabilitätsgesetzes hat der Rechnungshof eine spezielle ex-post Prüfungskompetenz zu erhalten.
4. KreditnehmerInnenschutz
Haftungen und Garantien für Banken im Rahmen des Bankenrettungspaketes werden nur übernommen, wenn sichergestellt ist, dass begünstigte Banken für die nächsten drei Jahre ein Moratorium für die vorzeitige Fälligstellung von Krediten und bei der Einforderung von zusätzlichen Sicherheiten für Kredite von KMUs und von Privatpersonen zur Finanzierung des Kaufs einer eigenen Wohnung oder zum Bau eines eigenen Hauses einhalten. Zudem muss die Bereitstellung von (Nicht-Fremdwährungs-)Krediten zu transparenten und berechenbaren Bedingungen an KMUs und an Privatpersonen zur Wohnraumbeschaffung für den Eigenbedarf sichergestellt sein.
5. Managergehälter und -haftung
Im Falle staatlicher Unterstützungsmassnahmen hat der Staat ein Vorzugspfandrecht an Gehältern, Pensions- und Abfertigungsansprüchen gegenüber dem Management zur Sicherung der Einhaltung der staatlichen Auflagen. Vorstandsgehälter müssen einzeln getrennt inklusive Pensions- und Abfertigungsansprüchen transparent gemacht werden. Gehalts-, Pensions- und Abgertigungsansprüche von Managern sind zu begrenzen. Falsche Anreizsysteme für ManagerInnen – wie etwa Stock Options – sind zu verbieten.
6. Volle Auschöpfung aller Mitspracherechte bei staatlicher Beteiligung
Im Falle einer staatlichen Eigenkapitalstärkung durch die öffentliche Hand sind jedenfalls die größtmögliche Einflussnahme der öffentlichen Hand hinsichtlich Geschäftstätigkeit der Bank sowie eine angemessene Beteiligung an künftigen Erträgen sicherzustellen. Eine Eigenkapitalstärkung seitens des Staates ohne damit verbundene Stimmrechte und staatliche Einflussnahme ist strikt abzulehnen. Eine Fortschreibung öffentlicher Beteiligung an Kredit-/Bankinstituten nach der Sanierungsphase ist jedenfalls zu prüfen. Es ist sicherzustellen, dass die Entscheidung darüber, ob ein Staatsanteil gehalten wird oder unter einer entsprechenden Vergütung der Einlagensumme ein Rückzug der öffentlichen Hand angestrebt wird, alleinige Entscheidungskompetenz des Staates bleibt.
Gerade in volkswirtschaftlich wichtigen und sensiblen Schlüsselbereichen – und der Bankensektor stellt zweifelsohne einen solchen dar – sind strategische Beteiligungen der öffentlichen Hand zu halten bzw. auszubauen. Hinsichtlich künftiger Eigentumsverhältnisse, deren Gestaltung, strategischer Beteiligungen und damit verbundener volkswirtschaftlicher Zielsetzung ist jedenfalls der Nationalrat – und damit die politische Öffentlichkeit – zu befassen.
7. Bevorzugung der öffentlichen Hand bei Dividendenausschüttung
Im Falle einer Sanierungsphase unter staatlicher Beteiligung ist eine „marktgerechte“ Vergütung jedenfalls sicherzustellen. Die öffentliche Hand ist hinsichtlich der Ausschüttung von Gewinnbeteiligungen gegenüber den übrigen Gesellschaftern zu bevorzugen. Die Dividendenausschüttung ist ggf. überhaupt befristet für die Sanierungsphase einzustellen.
8. Befristete Aussetzung des Börsehandels im Falle einer staatlichen Unterstützungsmaßnahme
Im Falle einer Eigenkapitalstärkung seitens der öffentliche Hand ist der Börsenhandel mit Wertpapieren des betroffenen Instituts zeitlich befristet auszusetzen, um kurzfristige Spekulationswellen zu verhindern.
9. Wiedereinführung der Börsenumsatzsteuer
Eine reformierte Börsenumsatzsteuer für sämtliche an den Börsen getätigten Umsätze ist ehestmöglich und jedenfalls bis zur Einführung einer EU-weiten Finanztransaktionssteuer wieder einzuführen.
10. Generelles Verbot von Stock Options
Nicht nur Steuerprivilegien für Stock Options sind abzuschaffen, Stock Options sind generell zu verbieten, da sie falsche Anreize setzen.
11. Schluss mit der steuerlichen Förderung der 2. und 3. Pensionssäule
Die steuerliche Förderung der privaten Pensionsvorsorge ist zu beenden, stattdessen gilt es die erste öffentliche Säule zu stärken, auch aus Mitteln, die bislang der steuerlichen Förderung der privaten Pensionsvorsorge dienten. Veranlagungsvorschriften sind zu verschärfen.
12. Verbot gefährlicher und undurchschaubarer Finanzinstrumente
Prinzipiell hat Genehmigungspflicht von Finanzprodukttypen durch die Aufsichtsbehörden zu bestehen. Dabei muss als Regel gelten, dass nur jene Produkte genehmigt werden sollen, die auch tatsächlich verstanden werden. Besonders gefährliche und undurchschaubare Finanzinstrumente sind generell zu verbieten. Eigenkapital- und Transparenzvorschriften für Private Equity – und Hedgefonds sind zu verschärfen.
13. Klare Kriterien für „Bankenrettungen“
Nicht jede Bank ist es tatsächlich Wert mit Steuergeldern gerettet zu werden. Dies gilt insbesondere für Banken, die „Nischengeschäfte“ etwa die Verwaltung und Veranlagung von Stiftungsvermögen von Superreichen betreiben. Es ist nicht einzusehen, warum Steuermittel, die überwiegende von ArbeitnehmerInnen aufgebracht werden, zur Rettung derartiger Banken aufgewendet werden. Es gilt klare Kriterien festzulegen, unter welcher Vorraussetzung eine Bank tatsächlich mit öffentlichen Geldern zu retten ist. Dabei muss die volkswirtschaftliche Bedeutung sowie das Geschäftsfeld von besonderer Relevanz sein.
14. Eine Neuordnung des Systems vermögensbezogener Steuern in Österreich
Im Rahmen der Steuerreform ist sicherzustellen, dass das System vermögensbezogener Besteuerung in Österreich neu organisiert wird. Nicht nur aus Gründen der Steuergerechtigkeit, sondern insbesondere auch als Beitrag zu einer Stabilisierung des Finanzsystems. Vermögenszuwachs wie auch große Vermögen, Erbschaften und Schenkungen sind steuerlich zu begrenzen, da gerade auch sie mit ihren Veranlagungsstrategien für spekulative Blasen und Destabilisierungen verantwortlich sind.
Begründung:
Das von der österreichischen Bundesregierung geschnürte und vom Nationalrat beschlossene Bankenrettungspaket mit dem Ziel, die Finanzmärkte zu stabilisieren, das Vertrauen ins Bankensystem wieder herzustellen sowie den Interbankmarkt wieder zu beleben, weist deutliche Defizite auf.
Während für Banken und Versicherungen seitens des Staates – und damit der SteuerzahlerInnen - ein 100 Milliarden Euro schweres Schutzschirm aufgespannt wird und zusätzlich dazu Einlagensicherheit in voller Höhe garantiert wird, bleiben Gegenleistungen ausgesprochen schwammig oder sind bestenfalls als „Kann“-Bestimmung vorhanden. Es besteht der dringende Eindruck, dass dieses Paket „von Banken für Banken“ geschrieben worden ist. Das ist unzumutbar. Wenn die SteuerzahlerInnen mit Milliarden für die katastrophalen Fehler der Banken haften sollen, erwarten sie völlig zu Recht Mitsprache und volle Gegenleistungen! Daher muss Banken bei Inanspruchnahme des Rettungsschirms eindeutig
höchstmögliche Sicherheiten für die SteuerzahlerInnen
volle Transparenz
eine angemessene Beteiligung der öffentlichen Hand an künftigen Gewinnen
höchstmöglicher Einfluss auf die Geschäftspolitik durch die öffentliche Hand
sowie entsprechende Konsequenzen für das Management (hinsichtlich Einkommen und Haftung)
abverlangt werden.
Vollkommen inakzeptabel ist auch, dass jene, die für die Instabilitäten der Finanzmärkte entscheidend mitverantwortlich sind, keinerlei wesentlichen steuerlichen Beitrag zum Bankenrettungspaket leisten. Vielmehr zeugen die Spekulationswellen der letzten Wochen an den Börsen – auch an der österreichischen Börse – davon, dass institutionelle Anleger von der Krise auch noch profitieren. Es entspräche nur dem „Verursacherprinzip“, würden jene, welche zur Destabilisierung der Finanzmärkte beigetragen haben, welche Verluste sozialisieren und Gewinnen privatisieren, für die entstehenden gesellschaftlichen Kosten auch aufkommen.
Das neoliberale Wirtschaftsmodell mit den Glaubensgrundsätzen „Deregulierung, Liberalisierung, Privatisierung“ ist am Ende und hat seine Untauglichkeit bewiesen. Allen Warnungen – gerade auch der Gewerkschaften und Arbeiterkammern zum Trotz – wurde privatisiert, dereguliert, liberalisiert. Deregulierte, liberalisierte Finanzmärkte haben ungeheure spekulative Blasen produziert, deren Platzen die Realwirtschaft in Österreich und weltweit schwer erschüttert. Nun hat sich das historische Fenster für grundlegende Reformen des Finanz- und Wirtschaftssystems geöffnet. Dieses Fenster gilt es gerade auch für die Interessensvertretungen der ArbeitnehmerInnen im Sinne der unselbständig Beschäftigten und der SteuerzahlerInnen rasch und nachhaltig zu nutzen. Ein reformiertes Bankenrettungspaket muss daher der erste Schritt hin zu einem künftigen, neuen Regulierungsregime der österreichischen Finanz- und Kapitalmärkte sowie des Bankensystems sein, dem weitere Schritte folgen müssen. Dieses System hat klar mit den neoliberalen Paradigmen zu brechen. Dieses System hat sicherzustellen, dass Banken von „Händlern“ bzw. „Maklern“ wieder zu dem werden, für was wie eigentlich ursprünglich gedacht waren: nämlich zu Instituten, die für realwirtschaftliche Investitionen Geld leihen. Das beschlossene Bankenrettungspaket erfüllt diese Ansprüche bislang nicht. Dieses Bankenrettungspaket gibt keine neuen, klaren Regeln vor.
Die Arbeiterkammer Wien sieht das vom österreichischen Nationalrat beschlossene „Bankenrettungspaket“ als dringend reformbedürftig. Im Rahmen eines überarbeiteten Bankensicherungspaket ist sicherzustellen, dass höchstmögliche Sicherheiten für SteuerzahlerInnen, volle Transparenz, volle Kontrolle, eine angemessene Beteiligung der öffentlichen Hand an künftigen Gewinnen, der höchstmöglicher Einfluss auf die Geschäftspolitik durch die öffentliche Hand sowie entsprechende Konsequenzen für das Management hergestellt werden.
Sowohl Entscheidungen über eine „Bankenrettung“, als auch Auflagen und Bedingungen, unter denen eine „Bankenrettung“ - etwa eine Eigenkapitalzufuhr – durchgeführt wird, sind für die Öffentlichkeit transparent und nachvollziehbar zu gestalten und einer politischen Debatte zu unterziehen.