Antrag 4 / Gesetzeskonformer Vollzug des Sozialhilferechts hinsichtlich der Berücksichtigung von PartnerInneneinkommen in der Sozialhilfe
zur 150. Vollversammlung der AK-Wien am 1. April 2009
Antrag zugewiesen (Ausschuss f. Allgemeine Sozialpolitik, Arbeitsrecht und Rechtspolitik)
GA, BM, BDFA, GLB: JA
FSG, ÖAAB, FA: für Zuweisung
Die AK-Wien fordert die Landesregierung auf, sicherzustellen, dass der Vollzug des Sozialhilferechts in Zusammenhang mit Lebensgemeinschaften in einer Art und Weise erfolgt, wie sie der Judikatur der Verwaltungsgerichtshofes und der gesellschaftlichen Realität entspricht.
Sicherzustellen ist insbesondere...
- dass einzig der Umstand, ob einE AntragstellerIn von einer in der selben Wohnung lebenden Person entsprechende sozialhilferechtlich relevante (nicht rückzahlbare) Zuwendungen tatsächlich erhält oder sie auf solche Zuwendungen einen Rechtsanspruch besitzt, der leicht liquidierbar ist (VwGH Erk. 2001/11/0075 vom 23.03.2004 ), Grundlage für die Entscheidung über die Anrechnung der Einkommen weiterer Personen ist;
- dass im Vollzug des Sozialhilferechts durch Einberechnung von Einkommen anderer Personen als des/der AntragstellerIn keine zusätzlichen Abhängigkeiten zwischen diesen Personen geschaffen werden.
Begründung
Beim Vollzug des Sozialhilferechts durch die jeweiligen Bundesländer werden Bestimmungen über die Einbeziehung der Einkommen vermeintlicher oder tatsächlicher LebensgefährtInnen höchst unterschiedlich und in der Regel zum Nachteil der AntragstellerInnen ausgelegt und exekutiert.
Die Fehlerquelle liegt sowohl in der Beurteilung der jeweiligen Lebenssituation durch die Behörde wie auch in der für die AntragstellerInnen nicht eindeutig nachvollziehbare Frage, ob sie in einer Lebensgemeinschaft leben.
Bei der Berechnung von Ansprüchen aus der Sozialhilfe senkt ein etwaiges Partnereinkommen die Ansprüche der AntragstellerInnen. Aus diesem Grund werden die Anspruchsberechtigten bei Antragstellung gefragt, ob sie in einer Lebensgemeinschaft leben. Wird diese Frage bejaht und liegt ein Einkommen der oder des vermeintlichen Partners/Partnerin in der Lebensgemeinschaft vor, reduziert sich der Sozialhilfeanspruch.
Diese Vorgangsweise der Behörden widerspricht jedoch der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes. Der VwGH hat erkannt, dass Einkommen anderer in der selben Wohnung lebenden Personen nur dann bei der Berechnung von Sozialhilfe einbezogen werden können, wenn der oder die AntragstellerIn gegenüber dieser Person entweder
- einen Unterhaltsanspruch hat oder
- tatsächlich Unterhaltsleistung (auch ohne Anspruch) erfolgen.
Die Frage nach der Lebensgemeinschaft klärt nicht die Frage nach einem Unterhaltsanspruch. AntragstellerInnen ist die rechtliche Bedeutung der Frage bei deren Beantwortung nicht bewusst. Sie beantworten objektiv nicht die Frage, ob sie Unterhaltsansprüche gegen den Partner haben oder von dieser/m tatsächlich finanziell unterstützt werden.
Es kann nicht vorausgesetzt werden, dass AntragstellerInnen der rechtliche Inhalt einer etwaigen Aussage, sie lebten in einer Lebensgemeinschaft, bewusst ist. Das Wort „Lebensgemeinschaft“ bezeichnet im Verständnis vieler Menschen zuallererst Wohn- und Geschlechtsgemeinschaft, ohne jedoch auf eine Wirtschaftsgemeinschaft abzustellen.
Auf diese Weise werden die Ansprüche der AntragstellerInnen in rechtlich nicht vertretbarer Weise verkürzt. Ihnen wird ein Einkommen zugerechnet, das sie gar nicht haben.