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Antrag 8 / Novellierung §§ 278ff StGB

zur 153. Vollversammlung der Arbeiterkammer Wien am 28. April 2010

Antrag zugewiesen (Ausschuss f. Rechtsschutz u. Rechtsberatung)

GA, GLB, Türkis, Kom., BDFA: ja

ÖAAB, FA: nein

FSG, Persp., BM: für Zuweisung

Antragsbearbeitung


Die 153. Vollversammlung der Arbeiterkammer Wien fordert den Gesetzgeber auf, Gesetze zur Terrorismus- und Mafiabekämpfung, wie den §§ 278ff StGB, dahingehend einer Verbesserung zuzuführen, dass

• sie ihr eigentliches Ziel erfüllen, aber zivilgesellschaftliches und politisches Engagement nicht kriminalisiert und verfolgt wird
• Missbrauch unterbunden und die Verhältnismäßigkeit wieder hergestellt wird
• Die Formulierungen nicht so unbestimmt sind, dass z.B. eine Demonstration vor einer Firmenfiliale als Einschüchterung gelten kann
• sie nur auf Fälle schwerstwiegender Verbrechen anzuwenden sind
• Bereicherungsabsicht eine notwendige Tatbestandsvoraussetzung für eine kriminelle Organisation ist


Konkret schlägt die Vollversammlung der Arbeiterkammer Wien vor:

• in § 278a Z 2 StGB die Wortfolge „oder erheblichen Einfluss auf Politik oder Wirtschaft“ zu streichen, sodass Z 2 lautet: „die dadurch eine Bereicherung in großem Umfang anstrebt und“.

• dem § 278a StGB folgenden Satz anzufügen: „Organisationen, die das Ziel haben, von der Rechtsordnung gebilligte Werte und Anliegen wie Sozialstaatlichkeit, Menschenrechte, Tierschutz oder Umweltschutz zu fördern, sind jedenfalls keine kriminellen Organisationen.“

• § 278 Abs 2 und § 278b Abs 3 jeweils folgenden Satz anzufügen: „§ 278a letzter Satz ist sinngemäß anzuwenden.“

Weiters fordert die Vollversammlung der Arbeiterkammer Wien die Einrichtung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses, der die Anwendungen der §§ 278 ff StGB bei bis jetzt stattgefundenen Prozessen wie Operation Spring und den TierrechtsaktivistInnen prüft.


Begründung:

Die §§ 278 ff StGB wurden offiziell geschaffen, um organisierte Kriminalität und Terrorismus zu bekämpfen. Die Paragraphen wurden seitdem jedoch gegen politisch engagierte Menschen und deren Gruppen und Vereine angewandt. Bereits 1999 wurde bei der sogenannten „Operation Spring“ zahlreiche Personen, die sich nach dem erschütternden Tod von Marcus Omofuma gegen rassistische Polizeigewalt engagiert haben, ohne konkrete Beweise zu insgesamt mehr als 1.000 Jahren Haft verurteilt.

Die Begründung der Ermittlungsbehörden und die Inhalte der Paragraphen 278 ff StGB zeigen deutlich, dass es jede NGO jederzeit treffen kann. Denn so wie auf die betroffenen TierrechtsaktivistInnen, trifft auf nahezu jede politisch aktive NGO und auch auf Organisationen wie AK und ÖGB zu, dass sie
• auf längere Zeit angelegt ist
• eine größere Zahl von Menschen involviert
• eine gewisse (unternehmensähnliche) Struktur hat
• versucht auf Politik oder Wirtschaft Einfluss zu nehmen
• Teile ihrer Kampagnen- oder Aktionsplanungen geheim halten

Bereits 2002 hat Amnesty International darauf hingewiesen, dass „dem Wortlaut nach beispielsweise auch bekannte Umweltorganisationen wie Greenpeace den Tatbestand etwa durch das Besetzen eines Atomkraftwerks erfüllen würden, und in weiterer Folge SpenderInnen von Umweltorganisationen wegen Terrorismusfinanzierung strafrechtlich belangt werden könnten“.
Aber auch ein gewerkschaftlich organisierter Streik um bessere Arbeitsbedingungen könnte bei einer derart ungenauen Formulierung der §§ 278 ff StGB in die Kategorie Terrorismus eingestuft und entsprechend verfolgt werden.

Wenn die Politik die Polizei auf Einzelpersonen und Organisationen, die der Wirtschaft über legale Kampagnen unbequem werden, loslassen kann und die Justiz dies deckt, dann stellt das nicht nur eine Gefahr für die 13 aktuell betroffenen TierrechtsaktivistInnen dar, sondern eine Gefahr für politischen Aktivismus überhaupt. Wenn dieses Vorgehen im aktuellen Fall akzeptiert und damit zukünftig immer wieder so stattfinden wird, bedeutet dies das Ende einer lebendigen Demokratie.

Die konkret vorgeschlagenen Gesetzänderungen sollen durch zwei Tatbestandselemente gewährleisten, dass Kammern, Gewerkschaften, NGOs und ähnliche Gruppierungen nicht mehr als kriminelle Organisationen verfolgt werden können:
Bislang war das Anstreben einer Bereicherung in großem Umfang nur eine der Tatbestandsvarianten des § 278a StGB und eine Organisation konnte auch dann den Tatbestand erfüllen, wenn sie zwar keine Bereicherung aber einen erheblichen Einfluss auf Politik oder Wirtschaft anstrebte. Nun soll die Bereicherungsabsicht in jedem Fall Tatbestandsvoraussetzungen werden und daher die Alternativvariante dazu entsprechend gestrichen werden. Da Kammern, Gewerkschaften und NGOs in der Regel keine Bereicherung anstreben, wird die Anwendbarkeit des § 278a StGB auf diese Gruppierungen damit verunmöglicht.

Es soll aber, angesichts der erwähnten bedenklichen Instrumentalisierungen des § 278a StGB ein zweites Netz eingezogen werden, das die Anwendung des § 278a StGB auf die erwähnten Gruppierungen ausschließt, indem Organisationen, die das Ziel haben, von der Rechtsordnung gebilligte Werte und Anliegen wie Sozialstaatlichkeit, Menschenrechte, Tierschutz oder Umweltschutz zu fördern, jedenfalls keine kriminellen Organisationen im Sinne des StGB sind. Mit den erwähnten Werten ist auch ausgeschlossen, dass dieser Ausnahmetatbestand beispielsweise rassistischen Gruppierungen zu gute kommen kann.
Auch bezüglich der § 278 (kriminelle Vereinigung) und 278b StGB (terroristische Vereinigung) soll eine entsprechende Ausnahme die Kriminalisierung von Kammern, Gewerkschaften und NGOs verhindern.

Zusätzlich wäre noch zu überlegen, die Anwendbarkeit des § 278a StGB auf konkret aufgezählte schwerste Straftaten, wie schwere Gewaltverbrechen oder Menschenhandel zu beschränken.

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