Antrag 9 / Armut statt Arme bekämpfen – Nein zur Verschärfung des Wiener Landes-Sicherheitsgesetzes
zur 153. Vollversammlung der AK-Wien am 28. April 2010
Antrag zugewiesen (Ausschuss f. Kommunal- u. Regionalpolitik)
BM, GLB, Türkis, Kom., BDFA: ja
ÖAAB, FA: nein
FSG, GA, Persp.: für Zuweisung
Die Arbeiterkammer Wien lehnt diese repressive Gesetzesänderung, sowie die bereits bestehenden repressiven Regelungen des Bettelverbots und der Wegweisung ab und fordert, die Ursachen der Armut, die in der ungerechten Verteilung von Erwerbsarbeit und des gesellschaftlichen Reichtum liegen, zu bekämpfen, anstatt mit aller Gewalt das Erscheinungsbild der wachsenden Armut aus dem öffentlichen Raum zu verdrängen.
Ein Ende Februar eingebrachter Initiativantrag zum Wiener Landes-Sicherheitsgesetzes sieht massive Verschärfungen vor, die sich gegen Menschen mit geringen Einkommen richten:
• Im Paragraf 2, dem Verbot „aggressiver“ Bettelei soll nun auch „gewerbsmäßige“ Bettelei allgemein in Wien verboten werden. Laut den Erläuterungen ist eine „Bettelei“ bereits dann „gewerbsmäßig“, wenn sie eine „fortlaufende Einnahmequelle“ erschließen soll bzw. wenn die „Absicht der wiederkehrenden Begehung zur Verschaffung einer fortlaufenden Einnahme zu bejahen ist“.
Damit werden gerade jene Menschen getroffen, die aus reiner Armut auf Spenden anderer Menschen angewiesen sind. Gerade jetzt in einer tiefer gehenden und länger anhaltenden Wirtschaftskrise, sind immer mehr Menschen von verfestigter Armut betroffen, denn Sozialhilfe, Arbeitslosengeld oder Einkommen aus immer mehr verbreiteter Teilzeitarbeit und anderer prekärer Beschäftigungsformen reichen immer öfter nicht aus, ein Überleben in menschenwürdiger Form zu sichern.
• Paragraf 3 Absatz 2 sieht vor, dass eine Wegweisung nun auch möglich sein soll, wenn Personen andere Personen „beim Zugang zu öffentlichen Einrichtungen behindern oder beim widmungsgemäßen Gebrauch von öffentlichen Einrichtungen unzumutbar beeinträchtigen“. Eine „unzumutbare Beeinträchtigung“ soll bereits dann vorliegen, wenn „bei anderen Personen durch unmittelbare Wahrnehmung berechtigter Anstoß erregt“ wird. Laut Erläuterungen soll dies bereits dann der Fall sein, wenn “diese Personen allein durch ihr verwahrlostes Auftreten eine erhebliche Verunsicherung auslösen“.
Weiters sieht das Gesetz bereits Wegweisungen vor, wenn durch „nachdrückliches Ansprechen“ oder „Übergabe von Gegenständen“ „psychischer Druck“ ausgeübt wird.
Da immer mehr Menschen – auch „working poor“ - von Armut bedroht sind oder in Armut leben, ist mit einem Anwachsen der Zahl an Menschen, die von anderen als „verwahrlost“ bezeichnet werden könnten, zu rechnen. Sie könnten zunehmend aus dem öffentlichen Bereich verwiesen werden.
Auch gewerkschaftliche Aktionen, wie das Verteilen von gewerkschaftlichen Flugzetteln oder Informationsmateralien, könnten als „Behinderung“ interpretiert werden und durch Wegweisung unterdrückt werden. Jede ernsthafte gewerkschaftliche Arbeit im öffentlichen Raum kann so im Keim erstickt werden.
Weiters könnte diese Regelung auch als Vorwand genommen werden, um Demonstrationen aufzulösen, was die Handlungsmöglichkeiten von Gewerkschaften und anderen politischen Organisationen weiter einengen ein demokratisches Grundrecht einschränken würde.
Durch diese Gesetzesverschärfung wird die Tendenz verstärkt, nicht die Ursachen der wachsenden Armut, sondern durch Unterdrückung des Sichtbarwerdens der Auswirkungen der wachsenden Ausbeutung der ArbeitnehmerInnen, diese zu verfestigen und somit den Reichtum jener zu schützen, die auf Kosten anderer Menschen leben,
Diese Gesetzesänderung verstärkt also den Druck auf zu „Randgruppen“ erklärte Menschen, die vom Reichtum der Gesellschaft durch Entzug der Erwerbsarbeit (Arbeitslosigkeit) oder schlechte Bezahlung in prekären Beschäftigungsverhältnissen ausgeschlossen werden. Dadurch wird auch die Angst jener ArbeitnehmerInnen, die noch in einem „regulären“ Erwerbsarbeitsverhältnis stehen, verstärkt, der Druck auf diese Menschen also erhöht, immer schlechtere Arbeits- und Lebensbedingungen hinzunehmen.