Antrag 13 / Nein zum „Antiterrorpaket“! Nein zum Überwachungsstaat!
zur 156. Vollversammlung der AK-Wien am 25. Oktober 2011
Antrag mehrheitlich angenommen
FSG, Persp., BM, GLB, Kom., BDFA: ja
ÖAAB, FA: nein
GA, Türkis: für Zuweisung
Die 156. Vollversammlung der AK-Wien möge daher beschließen:
Der Ministerialentwurf betreffend eines Bundesgesetzes, mit dem das Sicherheitspolizeigesetz, das Polizeikooperationsgesetz und das Bundesgesetz über die Einrichtung und Organisation des Bundesamtes zur Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung geändert werden soll, wird auf Grund des Ausbaus staatlicher Überwachungsmöglichkeiten mit sehr eingeschränktem Rechtsschutz und damit verbundenem Missbrauchspotential abgelehnt.
Besonders problematisch wird die Möglichkeit gesehen, wiederholte Besetzungen verwaltungsstrafrechtlich zu ahnden. Damit wird friedlicher ziviler Ungehorsam – auch mögliche gewerkschaftliche Protestmaßnahmen, wie Betriebsbesetzungen – erschwert und sanktionierbar.
Die Tätigkeit des Bundesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung muss hinsichtlich ihrer eingriffsintensiven Überwachungs- und Datenspeichermöglichkeiten unter unabhängige richterliche Kontrolle gestellt werden, um die BürgerInnen in ihren Rechten zu schützen.
Derzeit befindet sich ein von den Regierungsparteien verabschiedetes Antiterrorpaket in Begutachtung. Der Entwurf enthält u.a. umfassende Änderungen im Sicherheitspolizeigesetz (SPG), das die Polizei- und Verfassungsschutzarbeit regelt. Die Gesetzesnovelle zum SPG droht dabei der Polizei weitgehende Überwachungs – und Datensammelbefugnisse in die Hand zu geben, ohne dabei einer effektiven Kontrolle zu unterliegen. Angeknüpft wird dabei nicht an Straftaten oder konkreten Verdachtsmomenten, sondern an bloßen Vermutungen und Zukunftsprognosen der Behörden. So sieht die Gesetzesnovelle u.a. vor:
Erweiterte Gefahrenforschung bei Einzelpersonen:
In Zukunft soll der Verfassungsschutz im Rahmen der erweiterten Gefahrenforschung auch Einzelpersonen (bislang Gruppierungen ab 3 Personen) überwachen und über sie Daten sammeln dürfen, wenn sie sich in der „Öffentlichkeit“, in „schriftlicher“ oder „elektronischer“ Kommunikation in irgendeiner Form für Gewalt gegen Menschen, Sachen oder verfassungsmäßige Einrichtungen aussprechen. Die Bestimmung kann dabei so ausgelegt werden, dass auch harmlose Äußerungen betroffen sind. Erweiterte Gefahrenforschung soll auch bereits dann möglich sein, wenn eine Person sich Mittel und Kenntnisse verschafft, mit denen sie grundsätzlich in der Lage wäre, schwere Sachbeschädigung oder die Gefährdung von Menschen herbeizuführen. Eine tatsächlich nachgewiesene Planung einer Straftat ist nicht notwendig, es reicht, dass die Person mit dem Wissen und Mitteln theoretisch in der Lage dazu wäre, egal vor welchem tatsächlichen Hintergrund dieses Wissen erworben wird (z.B. Beruf, Studium). Liegt einer dieser zwei Fälle vor, muss die Behörde um tätig werden zu können zur Ansicht kommen, dass bei der zu überwachenden Person mit schwerer, weltanschaulich oder religiös motivierter Gewalt zu rechnen ist. Dabei handelt es sich lediglich um eine Vermutung. Weder muss eine überwiegende noch eine hinreichende Wahrscheinlichkeit bestehen, dass es zu Gewalt kommt. Die Zustimmung des Rechtsschutzbeauftragten ist in beiden Fällen erforderlich, dieser ist allerdings im Innenministerium angesiedelt und keine unabhängige Behörde. Ohne gerichtliche Kontrolle oder des Rechtsschutzbeauftragten darf der Verfassungsschutz dabei Überwachungsmaßnahmen wie Einholen personenbezogener Daten, Einholen von Auskünften (ohne Befragung), Observationen, verdeckte Ermittlungen, Peilsender, Datenabfrage bei allen staatlichen Einrichtungen etc. durchführen.
Erweiterte Gefährdungsanalyse bei Delikten des Staatsschutzes
Dabei handelt es sich um eine Art erweiterter Gefahrenforschung vor der erweiterten Gefahrenforschung. Die Sammlung personenbezogener Daten können in diesem Falle ohne weitere Erfordernisse gesammelt werden und unterliegen nicht der Zustimmung und auch nicht der Kontrolle des Rechtsschutzbeauftragten. Damit ist der Überwachung politisch-aktiver Menschen Tür und Tor geöffnet. Sie müssen damit rechnen, in Datenbanken zu landen und vom Verfassungsschutz auf „Staatsfeindlichkeit“ und „Gefährlichkeit“ überprüft zu werden, ohne dass sie irgendwas getan hätten.
Besetzungen und Verwaltungsübertretungen
Aus gewerkschaftlicher bzw. ArbeitnehmerInnen-Sicht besonders relevant erscheinen die vorgesehenen Novellierungen in den Bereichen Besetzungen und Verwaltungsübertretungen. Besetzungen sind das Zusammenkommen von mehreren Menschen auf einem Grundstück, Raum oder Haus ohne den Willen des oder der BesitzerIn. Gewerkschaftliche Kampfmaßnahmen schließen durchaus Besetzungen – im Rahmen von Streiks, bzw. „Fabriksbesetzungen“ bei drohenden Entlassungen, Schließungen etc. - mit ein. Konnten friedliche Besetzungen schon bisher mittels Räumungsverordnung gemäß § 37 SPG polizeilich geräumt werden, sollen derartige Protest- und Widerstandsformen künftig auch verwaltungsrechtlich strafbar werden und im Wiederholungsfalle mit bis zu 500 Euro Verwaltungsstrafe geahndet werden können. Der Gesetzesentwurf sieht zusätzlich vor, dass Besetzungen durch einen Menschen auch ohne Räumungsverordnungen durchgeführt werden können und diese Bestimmung so formuliert ist, dass diese Maßnahme auch für größere Menschengruppen – also Räumung ohne Räumungsverordnung – möglich werden soll.
Der Gesetzgeber hat aufgeführte Bestimmungen derartig unpräzise formuliert, dass den Behörden weitreichende Befugnisse – etwa zur Datenerhebung und -speicherung – ohne gerichtliche oder staatsanwaltschaftliche Kontrolle eingeräumt werden und politischem Aktivismus eine weitere Kriminalisierung droht.
Dass die Gefahr einer zunehmenden Kriminalisierung von politischen Aktivismus keineswegs weit her geholt ist, zeigt nicht zuletzt die Führung von demokratisch gewählten FunktionärInnen der gesetzlichen Interessensvertretung der StudentInnen – der ÖH – in der Gruppe 2-EX (Extremismus!) der EDIS-Datenbank zur Abwehr gefährlicher Angriffe und krimineller Verbindungen. Der Grund für die Speicherung: Eine Aktion im österreichischen Parlament am 22. Dezember 2010 im Verlauf derer Flugblätter gegen geplante Kürzungen der Familienbeihilfe bei StudentInnen von der Zuschauertribüne geworfen wurden – was mit einer Verwaltungsstrafe von Euro 70,- und Hausverbot bis 20. Juni 2016 belegt wurde.
Gerade auch aus Gewerkschaftssicht kann es nicht akzeptiert werden, dass gewaltlose Formen des Protests bzw. Widerstands, die durchaus auch in gewerkschaftlicher Tradition stehen, verwaltungsrechtlich strafbar und finanziell sanktioniert werden. BürgerInnenrechte, Freiheitsrechte und ArbeitnehmerInnenrechte wurde von den Gewerkschaften vielfach unter zahlreichen Opfern gegen eine sich autoritär gebärdende Staatsmacht durchgesetzt. Gewerkschaften und die Interessensvertretungen der ArbeitnehmerInnen müssen sich eine schleichenden Aushöhlung von Freiheitsrechte entschieden entgegensetzen. Gewerkschaftliches Engagement und politischer Aktivismus hängen eng miteinander zusammen. Eine Kriminalisierung von politischem Aktivismus kann letztlich auch in einer Kriminalisierung von gewerkschaftlichen Engagement enden.
Download: AUGE13 Antiterrorpaket