auge banner chilli 1

Antrag 2 / Kampf der Steuerhinterziehung statt Abbau des Sozialstaates

der AUGE/UG - Alternative und Grüne GewerkschafterInnen/Unabhängige GewerkschafterInnen
zur 160. Vollversammlung der Arbeiterkammer Wien am 7. Mai 2013

mehrheitlich zugewiesen
GA, Persp., GLB, Türkis, BDFA: ja
ÖAAB, FA: nein
FSG, GA, BM Kom.: für Zuweisung
Antragsbearbeitung

Die 160. Vollversammlung der Arbeiterkammer Wien möge daher beschließen:

Die Arbeiterkammer setzt sich, auf nationalstaatlicher, europäischer und internationaler Ebene für folgende Maßnahmen zum Kampf gegen Steuerbetrug und -hinterziehung ein:

  •  Einen weltweiten, automatischen Informationsaustausch der Finanzbehörden. Dieser muss Kapitaleinkommen, Dividenden, Veräußerungsgewinne, Derivate, Trusts und Stiftungen erfassen. Auf nationalstaatlicher Ebene bestehende Bankgeheimnisse sind abzuschaffen.
  • Mehr Transparenz durch die Offenlegung von Vermögenswerten und Geldströmen sowie der wirtschaftlich Begünstigten von Stiftungen, Trusts oder Briefkastenfirmen.
  • Um die Steuertricks der internationalen Konzerne zu bekämpfen, muss eine globale Einheitsbesteuerung („unitary taxation“) eingeführt werden. Dabei werden Großkonzerne als Einheit besteuert. Sie müssen auf Grundlage eines gemeinsamen Berichts aller Tochterunternehmen ihre Tätigkeiten und Gewinne weltweit ausweisen.
  • Bei Nichtkooperation von Steueroasen soll der Kapitalverkehr in und von diesen Ländern eingeschränkt werden.
  • Abschlagsteuern auf Dividenden-, Zins- und sonstige Gewinnübertragungen aus Steueroasen.
  • Quellensteuer auf alle Überweisungen in Steueroasen oder der Entzug der Banklizenz für alle Banken, die Niederlassungen in Steueroasen betreiben.

 Die Arbeiterkammer setzt sich auf nationalstaatlicher, europäischer wie internationaler Ebene für Stärkung wie Ausbau sozialer Sicherungssysteme und sozialstaatlicher Strukturen ein.

 

Die Weltbank schätzt, dass zwischen eins und 1,6 Billionen US- Dollar jährlich illegitimer Weise über Grenzen hinweg verschoben werden. Das Tax Justice Network*) nimmt an, dass jedes Jahr weltweit ungefähr 250 Mrd. US-Dollars an Steuereinnahmen verloren gehen – und das nur, weil reiche Privatleute Vermögen ins Ausland transferieren.

 

In Schattenfinanzzentren (Steueroasen), Orte, an den denen die nötigen rechtlichen Rahmenbedingungen und Regularien existieren, gibt es eine regelrechte Industrie an Finanzdienstleistern die Geheimhaltungspraktiken und Steuererleichterungen bereitstellen – meist für im Ausland Ansässige. Das Hauptinstrument zur Begünstigung von Kapital- und Steuerflucht ist dabei die Geheimhaltung. Geheimhaltung ist etwas anderes als der legitime Anspruch auf Vertraulichkeit. Es geht nicht darum, dass Banken die Kontendetails ihrer Kunden der Öffentlichkeit zugänglich machen. Geheimhaltung beginnt dort, wo sich Banken und Finanzdienstleister weigern oder nicht verpflichtet sind, den Behörden notwendige Informationen bereitzustellen.

Der Schattenfinanzindex 2011 (Financial Secrecy Index FSI), vom Netzwerk Steuergerechtigkeit (Tax Justice Network) erstmals 2009 veröffentlicht, benennt und bewertet die Schattenfinanzzentren der Welt nach dem Grad ihrer Geheimhaltung und ihrem Anteil am Weltmarkt für Finanzdienstleistungen.

Der FSI 2011 deckt 73 Länder und Gebiete ab. Betrachtet man die geographische Verteilung der Schattenfinanzzentren, fällt schnell auf, dass die wichtigsten Zentren mitnichten auf karibischen Inseln liegen, sondern vielmehr im Herzen Europas. Beinahe die Hälfte der Top 20 des FSI sind Mitglieder der Europäischen Union (Luxemburg, Deutschland, das Vereinigte Königreich, Belgien, Österreich (Platz 17) und Zypern) oder von einem Mitglied abhängige Gebiete (die Cayman Islands, Jersey und die Brit. Jungferninseln). Damit trägt die EU auch einen maßgeblichen Teil der Verantwortung dafür, das Problem der Schattenfinanzzentren zu lösen.

Die Top 12 des FSI vereinen einen erstaunlichen Anteil von 80 Prozent des Weltmarkts für Finanzdienstleistungen auf sich. Mehr als die Hälfte aller Bankvermögen und -verbindlichkeiten werden über Schattenfinanzzentren abgewickelt. Hinzu kommt ein Anteil von über 50 Prozent am Welthandel, der zumindest auf dem Papier hier stattfindet. Es ist also nicht verwunderlich, dass Schattenfinanzzentren eine zentrale Rolle im Zustandekommen der aktuellen Finanzkrise spielen.

Daher kommt es nicht von ungefähr, dass Kürzungen in öffentlichen Haushalten in Folge der Finanzkrise immer stärker mit den ausbleibenden Steuereinnahmen und der Rolle der Schattenfinanzzentren in Verbindung gebracht werden.

Wir haben auf der einen Seite Steuerhinterziehung in dreistelliger Milliardenhöhe und auf der anderen Seite ein Vernichten des Sozialstaates, da diese Summe natürlich im öffentlichen Haushalt fehlt. Trauriger Höhepunkt dieser Zerschlagung ist im Moment in Griechenland erreicht. Dort wurde das soziale Netz zerstört. Nur 17 Prozent der 1,2 Millionen Arbeitslosen erhalten staatliche Bezüge. Die effektive Armutsquote ist von 20 auf 36 Prozent gestiegen. Etwa 8,5 Prozent der Griechen leben in extremer Armut und können sich noch nicht einmal Basisgüter und -dienste leisten. Die Kirche und humanitäre Organisationen versorgen fast eine halbe Million Menschen mit Lebensmitteln. Im November 2011 hat in Chinatown von Thessaloniki eine Solidaritäts-Klinik aufgemacht. Die ÄrztInnen rechneten damit, dass sie hauptsächlich illegalen Einwanderern helfen würden, die über keine anderen Optionen verfügen. Stattdessen sind jedoch mindestens die Hälfte der PatientInnen GriechInnen, die ihre Krankenversicherung verloren haben. Medikamente werden von Apotheken oder Privatpersonen gespendet.

Vergangenen Oktober stiegen wegen neuer Steuern die Preise für Heizöl verglichen mit dem Vorjahr um mehr als 50 Prozent. Die Menschen suchten nach Alternativen und verbrennen seitdem zunehmend Holz. Nach Messungen des Umweltministeriums wurde der zulässige Feinstaubgrenzwert in den vergangenen Wochen wiederholt überschritten. Im Norden Athens wurden Werte um 150 Mikrogramm pro Kubikmeter gemessen - erlaubt sind 50. Die Ärztekammer mahnte, das Phänomen habe „bedrohliche Dimensionen angenommen und setzt das Leben von Millionen Bürgern - vor allem Kindern und chronisch Kranken - Gefahren aus.“

Die Athener Zentralbank schätzt, dass die kleine griechische Oberschicht dem Staat bis 20 Milliarden Euro vorenthält – ohne Konsequenzen.

Die Verursacher der Finanzkrise zahlen bis jetzt leider gar nicht für die Krise, sondern jene Bevölkerungsschichten, die sich das Verursachen der Krise durch Spekulation und Steuerhinterziehung gar nicht leisten können. Der massive Abbau von Sozialstaatlichkeit gefährdet den sozialen Frieden. Immer breitere Teile der Bevölkerung fallen in Armut bzw. sind akut von Armut bedroht. Über Jahrzehnte hinweg aufgebaute Bildung-, Gesundheit- und Sozialsysteme, die einen hohen Standard an Lebensqualität für alle Bevölkerungsschichten sicherten, dürfen nicht in wenigen Jahren vernichtet werden!

 

*) www.taxjustice.net/cms/front_content.php


Attac hat das TJN wesentlich mit aufgebaut

Impressum