Antrag 01 / Keine Steuerreform auf Kosten von Beschäftigung und Sozialer Sicherheit
derAUGE/UG - Alternative und Grüne GewerkschafterInnen/Unabhängige GewerkschafterInnen
zur 163. Vollversammlung der ArbeiterkammerWien am 29. Oktober 2014
Antrag mehrheitlich zugewiesen
GA, GLB, Kom., BDFA: ja
ÖAAB, FA, ARGE: nein
FSG, Persp., Türkis : für Zuweisung
Antragsbehandlung im Ausschuss Finanzpolitik
Die 163. Vollversammlung der AK-Wien möge beschließen:
Die Arbeiterkammer Wien fordert, dass im Rahmen der angekündigten Steuerreform eine ausreichende Gegenfinanzierung sichergestellt ist, die ausreichend Spielraum für konjunkturbelebende, beschäftigungswirksame und sozial wie ökologisch nachhaltig wirkende Maßnahmen lässt. Insbesondere müssen ausreichend Mittel für den Ausbau sozialer Dienste, für Investitionen in Bildung, für den Wohnbau sowie öffentliche Infrastruktur und Klimaschutzmaßnahmen zur Verfügung stehen.
Die AK Wien fordert, eine überwiegend einnahmeseitige Gegenfinanzierung aus vermögensbezogenen Steuern. Um den Ansprüchen einer grundlegenden Steuerstrukturreform gerecht zu werden, fordert die AK neben der Umschichtung der Steuerbelastung von Arbeit hin zu Vermögen und Kapital zusätzlich die Stärkung ökologischer Elemente im Steuersystem, um den notwendigen sozial-ökologischen Umbau unseres Wirtschaftssystem voranzutreiben.
Die AK Wien lehnt gleichzeitig jede Form ausgabenseitiger Gegenfinanzierung die auf Kosten der sozialen Sicherheit, der Gesundheitsversorgung, der öffentlichen Daseinsvorsorge und sozialen Dienste sowie der Beschäftigung im öffentlichen Dienst geht, entschieden ab. Ebenso strikt abzulehnen sind Privatisierungen als ebenso kurzfristige wie kurzsichtige Maßnahme zur vorübergehenden Gegenfinanzierung von Steuersenkungen.
Die AK Wien fordert als Maßnahmen zur Gegenfinanzierung daher insbesondere:
- Die Anhebung der Vermögensbesteuerung in Österreich auf EU 27 Niveau – von derzeit knapp 0,5 Prozent des BIP auf 2,1 Prozent durch Wiedereinführung einer Erbschafts- und Schenkungssteuer inklusive einer Erbersatzsteuer auf Privatstiftungen, einer allgemeinen Vermögenssteuer sowie einer Reform der Grundbesteuerung.
- Die Streichung bzw. Reduktion umweltschädigender Steuerbegünstigungen und Subventionen sowie mehr Steuergerechtigkeit im Verkehr (z.B. Ausdehnung LKW-Maut auf alle Bundesstraßen, Anpassung der MÖSt bei Diesel an Benzin, keine MÖSt-Befreiung von „Bio“-Sprit, Reformen bei der steuerlichen Behandlung von Dienstwägen und „Fiskal“-LKW, Einführung von Flächenverbrauchssteuern und Verkehrserregerabgaben).
- Die deutliche Erhöhung des Aufkommens aus Unternehmenssteuern durch Reformen im Gewinnsteuerrecht (z.B. Abschaffung der Gruppenbesteuerung, Einschränkung der Abzugsfähigkeit Fremdkapitalzinsen)
- Die Bekämpfung von Steuerbetrug und Steuerhinterziehung, insbesondere die Bekämpfung von "Profit Shifting" und Mehrwertsteuerbetrug
Der Fahrplan der österreichischen Bundesregierung sieht vor, dass bis Ende 2014 die ExpertInnenkommission Vorschläge zur Steuerreform erarbeiten und am 17. März 2015 ein Ministerratsbeschluss gefasst werden soll.
Weitgehende Uneinigkeit besteht dabei nach wie vor hinsichtlich der Gegenfinanzierung des veranschlagten Entlastungsvolumens. Die Frage der Gegenfinanzierung ist allerdings nicht zuletzt vor dem Hintergrund einer hartnäckig anhaltenden Wirtschaftskrise mit bedrohlich steigenden Arbeitslosenzahlen und daraus resultierenden wirtschafts- und sozialpolitischen Herausforderungen entscheidend. Ob eine Lohn- und Einkommenssteuerentlastung einen Beitrag zu einer wirtschaftlichen und sozialen Erholung leisten kann, ist wesentlich von den Gegenfinanzierungsmaßnahmen abhängig:
- Steigende Ausgaben für Arbeitslose und arbeitsmarktpolitische Maßnahmen bei gleichzeitigem Rückgang von Steuereinnahmen aufgrund der schwächelnden Konjunktur drohen bereits jetzt den Budgetkonsolidierungspfad zu gefährden. Ein Verstoß gegen die restriktiven EU-Vorgaben zieht allerdings Sanktionen nach sich, insbesondere Strafzahlungen und in der Folge erzwingbare Strukturreformen, die erfahrungsgemäß insbesondere auf einen Abbau von sozialen Sicherungsmaßnahmen – insbesondere bei Pensionen und Gesundheit – abzielen.
- Gerade in Krisenzeiten braucht es budgetpolitische Handlungsspielräume um Beschäftigung schaffende, sozial wie ökologisch sinnvolle und nachhaltig wirkende Investitionen tätigen zu können. Dies betrifft insbesondere Soziale Dienste, Bildung, Wohnbau, öffentliche Infrastruktur und Klimaschutzmaßnahmen. Steuersenkungen ohne entsprechende Gegenfinanzierung schränken diesen Spielraum natürlich dramatisch ein.
- Da die restriktiven europäischen (Six-Pack, Fiskalpakt usw.) und österreichweiten (Schuldenbremse, innerösterreichischer Stabilitätspakt) Budgetregeln de facto keine Neuverschuldung bzw. Defizite mehr zulassen, müssen fiskalische Spielräume entweder über zusätzliche Steuereinnahmen, Umschichtungen in den Budgets oder Einsparungen geschaffen werden. Dabei sind Budgetumschichtungen im Zeichen des Spardiktats immer schwieriger, Einsparungspotentiale in der Verwaltung oft nur schwer und im Regelfall nur mittelfristig hebbar bzw. tatsächlich von einer Größenordnung sind, die bestenfalls zu einer partiellen Gegenfinanzierung taugen. Ausgabenkürzungen in den Bereichen Pensionen, Gesundheit oder öffentlicher Infrastruktur, wie sie immer wieder von Unternehmensverbänden geforderte werden, sind aus ArbeitnehmerInnensicht jedenfalls strikt abzulehnen, das sie zu Lasten von Beschäftigung, sozialer Sicherheit und umweltfreundlicher Mobilität gehen.
- Erhoffte Selbstfinanzierungseffekte aus Steuerentlastungen als Folge einer daraus resultierenden erhöhten gesellschaftlichen Nachfrage sind tatsächlich dann zu erwarten, wenn die Politik ein entsprechend konsumfreudiges Klima schafft und Maßnahmen des wirtschaftlichen Gegensteuern setzt, die eine positive wirtschaftliche Entwicklung erwarten lassen. Um konjunkturelle Impulse setzen zu können, braucht es allerdings budgetäre Spielräume für Investitionen, die jedenfalls nicht aus Einsparungen bzw. Ausgabenkürzungen kommen können, sondern aus zusätzlichen Einnahmen.
- Steuern als Mittel zur Gegenfinanzierung sollten dabei möglichst „konjunkturneutral“ wirken – die wirtschaftliche Entwicklung also nicht negativ beeinträchtigen - sowie Anreize für ein sozial, ökonomisch bzw. ökologisch erwünschtes Verhalten setzen. Als besonders „konjunkturneutrale“ Steuern gelten dabei Vermögenssteuern, da diese nur geringe Auswirkungen auf den gesamtgesellschaftlichen Konsum haben, gleichzeitig allerdings einen wichtigen Beitrag zu mehr Verteilungsgerechtigkeit sowie einer Stabilisierung der Finanzmärkte leisten. Umweltsteuern setzen zusätzlich Impulse für ein umwelt- und klimafreundlicheres Verhalten und unterstützt so den ökologischen Umbau des Wirtschaftssystems. Nicht zuletzt vor dem Hintergrund des aktuellen österreichischen Klimaberichts, der vor massiven Auswirkungen des Klimawandels auf Österreich ausgeht, ist ein Ökologisierung des österreichischen Steuersystems überfällig.
Die AK Wien spricht sich daher für eine großteils einnahmeseitig aus Vermögenssteuern gegenfinanzierte Lohn- und Einkommenssteuerentlastung aus.